Und dazu ein Schlauchboot
Viele Kinderzeitschriften packen kleines Spielzeug auf den Titel, damit sich die Hefte besser verkaufen
Mit den beiden "Robo-Kreiseln" schlug die Kinderzeitschrift Micky Maus kürzlich die Konkurrenz. "Kick den Gegner raus!", war auf dem Titel zu lesen. Die Kampfkreisel konnten aufgezogen und gegeneinander ins Duell geschickt werden. Innerhalb von zwei Tagen war die Ausgabe der Comic-Zeitschrift ausverkauft, einmalig in der Geschichte des Ehapa-Verlages. Wieder hatte eine Draufgabe, ein "Gimmick", den Verkauf eines Heftes auf Touren gebracht.
Dabei kam der Redaktion der Zufall zu Hilfe: Noch vor einem halben Jahr hatten die Kinder eher mit Schulterzucken reagiert, als ihnen bei einem Test des Verlags die Kreisel vorgelegt wurden. Doch inzwischen war auf RTL 2 die japanische Trickfilmserie "Bey Blade" gestartet: Hier zeigen die Helden ihre Künste mit ähnlichen Kampfkreiseln - seitdem sind die Dinger der Renner auf den Schulhöfen.
Vor allem jüngere Kinder zwischen sechs und neun Jahren gucken zuerst auf die Spielzeuge und Extras, die auf den Heften kleben. Ist nun das aufblasbare Schlauchboot auf der Zeitschrift "Die Maus" besser oder die Dia-Show von "Benjamin Blümchen"? Wirkt die Delfin-Kette von "Disneys Einfach Tierisch" cooler oder die Schmetterlingskette in der "Barbie"?
Hauptsache Spaß
"Ohne Gimmicks geht gar nichts mehr", betont Ehapa-Pressesprecherin Marion Egenberger. "Einmal im Jahr wollen die Kids ihr Furzkissen haben." Wichtig sei der Spaßfaktor. Lackmusstreifen, die anzeigten, wie sauer der Regen ist, machten eine Ausgabe der "Micky Maus" zum Ladenhüter. Auch Sticker und Papp-Bastelbögen reißen niemanden mehr vom Hocker. Marktforscher des Verlages bereisen die großen Messen, um angesagte Dinge wie etwa Zehenringe, Diademe und Fußkettchen für die Mädchen zu erwerben. Was aufs Heft kommt, muss allerdings erst die Testrunde der Kids, das "Cola-Kränzchen" im Ehapa-Haus, bestehen.
Auch andere Zeitschriften wie der "BussiBär" oder "Pettersson und Findus" setzen auf Gimmicks. So sind die Extras inzwischen zwar ein Standard für die Kinderzeitschriften am Kiosk - aber noch lange kein Erfolgsgarant. Zwar verzeichnete das Branchenblatt Media & Marketing für die Kinder- und Jugendzeitschriften im ersten Quartal 2003 satte 11,4 Prozent mehr Anzeigen, womit sie gegen den allgemeinen Trend bestehen. Doch die Auflagen der meisten Blätter gehen weiter nach unten. Von der "Micky Maus" werden knapp 10 000 Exemplare weniger als im Vorjahresquartal verkauft.
Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Eltern, die bei den Grundschulkindern meist noch den Kauf der Zeitschriften bestimmen, zusehends genervt sind von der Flut billiger Plaste-Draufgaben, ob nun bei McDonald s oder eben am Kiosk. Eine Alternative ist die Suche nach sinnvolleren Zugaben, etwa nach CD-ROMs. So wurden in diesem Jahr zwei Hefte mit bekannten, eingeführten Figuren auf den Markt gebracht: Beim "Ballonfahrer Oscar" und dem Detektivmagazin "Mütze und Co", beides Koproduktionen des Freiburger OZ Verlags mit dem Software-Haus Tivola, liegen Vollversionen des CD-ROM-Spiels bei. Zwar nicht von brandaktuellen Spielen, aber das kümmert jüngere Kinder noch weniger. Ganz ohne Extras kommen dagegen die weitgehend werbefreien Zeitschriften aus, die ausschließlich im Abo vertrieben und an den Schulen beworben werden dürfen. Und die sich ganz klar an die Eltern als Käufer wenden.
So ist die "Flohkiste" aus dem Münchener Domino-Verlag zwar liebevoll gemacht und sehr lehrreich, greift sie doch Themen auf, die genau zur Jahreszeit und dem Alter von jüngeren Schülern passen. Allerdings begeistert das Heft - ebenso wie die Nachfolge-Zeitschrift "Floh" für die etwas Größeren - mehr die Eltern als die eigentlichen Adressaten. Am Kampfplatz Kiosk hätte das schon äußerlich etwas antiquiert wirkende Heft, ähnlich wie die Naturforscherzeitschrift "Tu was!" und die Englischzeitschrift "O!Kay!", ebenfalls aus dem Domino-Verlag, keine Chance. Das gilt auch für die Zeitschriften aus dem Nürnberger Sailer Verlag, obwohl dem Aushängeschild des Hauses, der traditionsreichen Zeitschrift "Der Tierfreund", gerade ein neues Layout verpasst wurde. Die Zeitschrift, die sich zuvor im Untertitel "Natur erleben-Verstehen-Schützen" hieß, nennt sich jetzt kurz und knapp "Wissen-Forschen-Tun".
Auch die anderen Hefte aus dem Hause kommen ohne Beiwerk aus und sind weitgehend werbefrei. Von dringend empfohlenen Büchern, die nur beim Sailer-Verlag zu beziehen sind, mal abgesehen. Die Zeitschriften enthalten recht simple Tiergeschichten und sind gestaffelt für Leser ab 1. Klasse, ab 3. Klasse und ab 5. Klasse. Wer eine Zeitschrift aus dem Haus abonniert hat, kann einfach zur nächsten wechseln. Warum der Sailer-Verlag auf Draufgaben verzichtet, erklärt Redakteurin Barbara Mühlich so: "Wir wollen kein Spielzeug verkaufen, an dem noch eine Zeitung hängt."
Ohne Gimmicks, aber mit Werbung kommt "Geolino" daher, der Abkömmling von "Geo" aus dem Hause Gruner+Jahr. Das Heft richtet sich an Schüler ab der 5. Klasse. Auch wenn Themen und Bilder kindgerecht ausgewählt werden, ist "Geolino" umfangreicher als andere Magazine und zudem deutlich anspruchsvoller. Mittlerweile verzeichnet "Geolino" so viele Abonnenten wie keine andere Kinder- und Jugendzeitschrift. Und auch am Kiosk besteht die Zeitschrift gegen die Kampfkreisel.
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