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Ist Neger ein Schimpfwort? von Osman A. Sankoh (Mallam O.)
Zwei gute Freundinnen, Tifa und Nijata, spazierten gemeinsam irgendwo durch Dortmund. Tifa ist ein schwarzes Mädchen aus Freetown in Sierra Leone, und Nijata ist ein weisses Mädchen aus Dortmund in Deutschland. Singend und sich unterhaltend, gingen sie majestätisch über die Lindenhörster Strasse in Dortmund-Nord.
Einige Minuten später fuhr ein mit Kohle beladener Kipplader an ihnen vorbei. "Oh, die Kohle ist wirklich schwarz, nicht wahr?" fragte Nijata. "Ja, das ist sie wirklich. Darum wundere ich mich, warum Leute sagen, dass ich schwarz sei", entgegnete Tifa und betrachtete ihre Haut.
"Du hast recht, Tifa", sagte Nijata. "Schau dir doch nur den Schnee dort vorn an." Sie zeigte auf ein mit frischem Schnee bedecktes Feld. "Ja, ich kann's sehen", sagte Tifa. "Die Leute sagen, dass ich weiß sei, aber ich bin nicht so weiß wie dieser Schnee, oder, Tifa?" fragte Nijata und verstand nicht, woher all diese Unterschiede der Hautfarben kamen.
"Tja, wenn ich nicht so schwarz wie Kohle bin und du nicht so weiß wie Schnee, was für eine Hautfarbe haben wir dann?" fragte Tifa daraufhin kichernd.
"Na, komm schon, das hat doch nichts zu bedeuten. Wir sind so geboren, also haben wir auch keine Kontrolle darüber", erklärte Nijata. "Das einzige, was wichtig ist, ist, dass wir menschliche Wesen sind und einander lieben können", fügte sie hinzu.
Die beiden Kinder schauten sich an. Sie nahmen sich bei der Hand und brachten ihre Stirnen näher zueinander. Dabei schauten sie sich geradewegs in die Augen. Dann schüttelten sie die Köpfe, klatschten in die Hände und fuhren fort, sich lachend zu unterhalten.
Sie hüpften dabei auf einen Weißen, der einen verschmutzten Arbeitsoverall trug. Er war völlig mit Kohlestaub bedeckt. "Oh, schau mal, der Neger da!" rief Nijata aus. "Das ist doch ein Weißer - warum nennst du ihn einen Neger?" fragte Tifa. "Siehst du nicht, wie schmutzig er ist?" versuchte Nijata zu erklären. Tifa fragte: "Oh - ist ein Neger jemand, der schmutzig ist?" "Das weißt du nicht? Schau mal, wir haben hier in Dortmund einen Ort, den man 'Negerdorf' nennt. Das ist so, weil da die Grubenarbeiter lebten, die immer schmutzig waren, wenn sie von der Arbeit zurückkamen", erklärte sie.
"Okay, jetzt weiß ich es. Aber weißt du auch, dass viele deiner Landsleute Menschen mit meiner Hautfarbe auch Neger nennen?" fragte Tifa sie dann.
"Doch. Aber ist es nicht so, wie man einen Schwarzen nennt?" fragte Nijata überrascht. "Oh, komm schon, Nijata. Du hast jenen Weißen nur Neger genannt, weil er schmutzig war, und du hast mir das mit den Zechenarbeitern erzählt. Denkst du nicht, dass du mich dann beleidigst, wenn du mich eine Neger nennst?" Tifa blickt Nijata an und brachte ihr Gesicht näher an Nijatas heran, als sie auf ihre Antwort wartete.
"Du hast recht, Tifa. Darüber hab ich gar nicht nachgedacht. Ich hab immer nur gehört, dass viele Leute Schwarze Neger genannt haben. Und weißt du, das Wort steht auch in unseren Schulbüchern! Und in manchen Filmen, die ich anschaue, bezeichnet man die schwarzen Menschen darin auch als Neger. Deshalb habe ich das für normal gehalten. Oh, Tifa, wenn Neger also ein beleidigendes Wort ist, dann tut mir das leid! Es ist anscheinend nicht normal. Es ist ein Schimpfwort." Nijata wurde wirklich ernsthaft. "Ich werde meinen Freundinnen sagen, dass sie dieses Wort nicht mehr benutzen sollen", fügte sie hinzu.
Die beiden kleinen Mädchen hielten sich fest und waren durch ihre Diskussion ganz traurig geworden. Doch Tifa sah eine Möglichkeit, Nijata ein bisschen mehr über diesen Begriff zu erzählen.
"Mein Vater beschreibt die ganzen unterschiedlichen Hautfarben, die die Leute haben, als wunderschön. Er hat mir den Ursprung des Begriffes 'Neger' erklärt.
Vor vielen Jahren kam ein weißer Mann in das Land Niger in Westafrika. Für ihn vertritt das Land Afrika. Als er also etwas über Afrikaner schrieb, nannte er sie Negroe. Als der Sklavenhandel begann..."
Sie wurde von einer Frage Nijatas unterbrochen. Nijata war beeindruckt. Sie fand es unglaublich, was ihre Altersgenossin alles wusste. "Sieht aus, als hätte dir dein Vater viel über die Dinge erzählt, die einem im Leben passieren können, oder? Was ist der Sklavenhandel?"
"Europäer und Araber gingen irgendwann nach Afrika und kauften dort starke Afrikaner, so wie du auf einen normalen Markt gehst und dort etwas kaufst. Sie ketteten sie an, quälten sie und brachten sie nach Amerika, wo sie unter schwierigen Umständen für sie arbeiten mussten. Ein Sklave ist jemand, den du unter deine Kontrolle bringst und mit dem du machen kannst, was du willst, ohne das du ihn bezahlen musst. Ohne seine Einwilligung! Also hatte er keine Rechte." "Und was passierte dann?" Nijata war ehrlich interessiert und wollte mehr darüber wissen. "Die weißen Herren der Sklaven nannten einfach alle Sklaven Neger, um sie zu beschimpfen. Also bedeutet Neger nicht nur, dass jemand schmutzig wäre, der Begriff ...", erklärte ihr Tifa. "Lass mich das bitte weiter erklären, Tifa. Das heißt, wenn man Schwarze Afrikaner nennt, dann beleidigt man sie erstens und erinnert zudem noch an den Sklavenhandel. Ist das richtig?" "Richtig! Das ist genau der Punkt, Nijata! Du bist brillant! Und denk dran - nicht alle Afrikaner waren Sklaven. Die Mehrheit meiner Ureltern blieben in Afrika und wurden nicht als Skalen verkauft.
Warum also benutzt man immer noch dieses Wort, wenn der Sklavenhandel schon so lange abgeschafft ist?" kam Tifas rhetorische Frage. Nijata wurde immer nachdenklicher, aber gleichzeitig zeigte sie dadurch, dass sie auch viele Ding verstand.
Sie hatte über die Geschichte über die Juden und die Nazis gehört - wie die Nazis die Juden nicht mochten und Millionen von ihnen umbrachten. Die beiden kleinen Mädchen beschäftigten sich mit Sachen für Erwachsene, aber sie begriffen, dass es für sie wichtig war, auch in ihrem Alter über diese Dinge Bescheid zu wissen. "Nimm einmal an, dass die Nazis den Juden zu der Zeit, in der sie diese töteten, einen besonderen Schimpfnamen gegeben hätten. Wenn dieser Name heutzutage irgendeinem Juden gegenüber benutzt würde, würde er ganz schön sauer werden, nicht wahr?" fragte Nijata.
"Ja, aus demselben Grund, warum Deutsche böse werden, wenn man sie Nazis nennt. Das ist nicht nur so, weil sie nicht alle Nazis sind, sondern weil es sie auch an die schreckliche Vergangenheit erinnert", gab Tifa zur Antwort.
Es wurde langsam dunkel, daher entschieden sich die beiden Mädchen, nach Hause zurückzugehen. Bevor sie sich an einer Kreuzung trennten, gaben sie sich noch gegenseitig ein Versprechen: Sie würden jeden Menschen, gleich, welche Hautfarbe er hat, respektieren.
Menschen sind für die Farbe ihrer Haut nicht verantwortlich.
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