Wir sind der schönste brunn/wo kost und nahrung quillet/
Wo milch mit honigseim vermengt nach wunsche fließt/
Womit der jungen Welt der Hunger wird gestillet/
Wenn ihr noch zarter Mund desselben Öffnung küsst;
Wir sind ein blumen-hauß/wo in den winter-stunden
Narziss und Lilje blühn als wie zur frühlings-zeit;
Ein Fels wo Chrysolith und Demant wird gefunden;
Ein fruchtbar sommer-feld mit Hagel überstreut;
Ein Berg/ auf dem der Schnee sich selbst in Ballen rollet;
Zwo kugeln/die ein Bild des Weltgebäudes seyn;
Ein Bergschloss/ wo man vor gelinde Griffe zollet/
Eh' uns die Freundlichkeit lässt in die Thäler ein;
Ein Atlas/ den kein Griff so leichtlich nicht beflecket;
Ein Kleinod/ das den Leib des Frauenzimmers ziert;
Ein Thurm/ auf dessen Höh' ein Feuer-Zeichen stecket;
Ein Brief der allezeit ein rotes Siegel führt;
Zwey Schilde/deren Feld mit Lilien beleget,
Ein Amboß/wo die Macht/so alle leiben heißt/
Die Pfeil' in großer Zahl geschickt zu schmieden pfleget/
Mit denen sie hernach auch Riesen niederschmeißt;
Die Wolle/drauß ihr Garn die Liebes-Göttin spinnet;
Ein Netze von der Hand der Wollust aufgestellt;
Ein Citadell/das leicht ein lieber Feind gewinnet;
Ein Schnee der lebend ist und Feuer in sich hält...
(Christian Hölmann in: Benjamin Neukirch, Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auslesener und bißher noch nie zusammen-gedruckter Gedichte Vierter Theil, Glückstadt 1704)
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