Hallo Huckybear,
ich habe vor einiger Zeit einmal einen sehr düsteren Manga über das Thema Sekten gelesen.
Charisma von Nishizaki Taisei und Yashioji Tsutomu, nach einem Roman von Shindō Fuyuki
erschienen beim Verlag Futabasha
abgeschlossen in vier Bänden
Erscheinungsjahr: 2004
Inhaltsbeschreibung:
Der zwölfjährige Okazaki ist ein Junge aus wohlbehütetem Elternaus mit vielen Freunden. Doch nachdem die Mutter sich einer Sekte zugewandt hat, beginnt sich das Leben des Jungen schlagartig zu verändern. Die Gehirnwäsche der Mutter und der psychische und physische Gewalt, den der Vater und der Sohn durch sie erleiden, finden den blutigen Höhepunkt, als Okazaki seiner Mutter ein Bild zu Weihnachten schenken möchte. Für sie ist Weihnachten Blasphemie ihrem Sektenführer gegenüber. Der Streit eskaliert, sie tötet ihren Ehemann und sich selbst.
Der Junge, der diese schreckliche Szene mitansehen musste, ist jedoch Jahre später selbst zu einem Sektenführer geworden. Und er nutzt seine Macht dazu, von den spirituell nach Leitung sehnenden Menschen zu nehmen, was er kriegen kann und seine sehr weltlichen Gelüste zu befriedigen.
Der Manga beschreibt das Treiben dieser Sekte und allen voran dieses Sektenführers ohne wegzublenden. In manchen Szenen mag die Darstellung der Gewalt etwas übertrieben sein, doch zeigt der Titel sehr schön das psychologische Schachmattsetzen und die daraus resultierende Selbstaufgabe, die in einer solchen Gemeinde vonstatten gehen.
Der Titel ist in der Darstellung und im Inhalt ziemlich grausam, Vergewaltigungen, Morde, das alles recht schonungslos. Auch die psychischen Misshandlungen, die Gehirnwäsche der Anhänger, werden ausgebreitet. Ich weiß nicht, wo du die Grenze ziehst, wie im Eingangspost erwähnt, sollten Titel ja "nicht zu pornographisch" sein, aber ich denke, speziell dieses Thema birgt in Puncto Sexualität eine gewisse Notwendigkeit, wenn es um die psychische und physische Ausbeute anderer geht - dieser Titel ist keine Ausnahme, eher das Gegenteil.
Der Titel ist recht kurz und knackig erzählt. Der Zeichenstil ist nicht herausragend aber erfüllt voll und ganz seinen Zweck, die grausame Geschichte zu bebildern, alles sehr sauber und detailliert. Typische Manga-Action-Magazin-Standard-Kost was die Ästhetik angeht. Hier gibt es also nichts zu meckern oder zwingend herauszustreichen.
In Frankreich ist der Titel auch erschienen, ebenfalls unter dem Titel "Charisma", bei Akata Delcourt. Falls du also französisch kannst, ist er bei Interesse an dieser Thematik definitv einen Blick Wert. Eine kurze Leseprobe ist hier zu finden: Leseprobe Charisma, bei Akata Delcourt
Ein anderer Titel, der das (Über-)Leben in einer abgeschiedenen Kommune erzählt, ist das sicher etwas bekanntere Jisatsutō
Jisatsutō (dt. etwa "Die Selbstmordinsel") von Mori Kōji
erschienen beim Verlag Hakusensha
abgeschlossen in 17 Bänden
Erscheinungsjahr: 2013
Wie gesagt, der Titel ist international etwas breiter vertreten, hat einige europäische Lizenzierungen (Italien, Frankreich) und auch übersetzte Inhaltsangaben sind leicht zu finden, deshalb nur ganz kurz: Menschen werden nach gescheiterten Selbstmordversuchen auf eine Insel verfrachtet. Der Titel beschreibt auf eindrucksvolle und sehr empathische Weise, wie Menschen den Lebenswillen zurückgewinnen (oder gänzlich verlieren) inmitten eines harschen und minimalistischen Lebensumfelds. Menschen finden sich zu Kommunen zusammen, die mitunter abweichende Auffassungen vom Zusammenleben haben und in Konflikte, in einen ursprünglichen Überlebenskampf ausarten können. Die Gewalt und der Sex ist auch hier vertreten, aber wesentlich weniger explizit, der Titel versprüht bisweilen fast eine innere Ruhe, die dem übergeordneten philosophischen Thema sehr gut zu Gesicht steht: Was bedeutet es zu leben? Und will ich das überhaupt auf mich nehmen?
Es gibt derzeit in Japan auch gerade eine zweibändige Essay-Mangareihe über die wahre Geschichte einer Frau, die bis fast zwanzig in einer einer Sektengemeinde aufgewachsen ist und schließlich in die "reguläre" Gesellschaft gewechselt ist. Der Titel verkauft sich zurzeit ziemlich gut, ist aber nur in japanisch zu bekommen und vom Stil eben eher essayhaft, also mit viel Text und minimalistischem Artwork, daher schreibe ich nur etwas, wenn es dir für deine Zwecke überhaupt nützlich wäre.
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