„Junge, nimm dir eine Frau, die nicht rechthaberisch ist. Leider sind die rar gesät.“
„Mama, ich werde schon aufpassen.“
Und tags darauf im Cafe; ganz alleine an einem der Tische saß SIE, die seidigen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, das zarte Gesicht mit großen blauen Augen darin. Ich fragte, ob ich mich zu ihr setzen dürfe, auf einen der freien Stühle. Sie schien abwesend in einem Tagtraum. Erst als ich ein zweites Mal mit energischer Stimmlage zu ihr sprach, erwiderte sie mit etwas Erschrockenem im Blick:
„Ja, ja, klar, nehmen Sie ruhig Platz. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nicht gleich wahrgenommen habe. Ich war ganz in Gedanken versunken.“
„Etwas Bedrückendes?“, fragte ich, und wusste im selben Moment, dass ich mich mit meiner Frage weit vorgewagt hatte, und sie hätte gleich darauf antworten können, dass es mir nichts anginge. Aber wir plauderten gleich miteinander, als hätten wir uns schon ewig gekannt. Und sie erzählte bereitwillig:
„Ich tagträumte gerade eben, ich sei ein aufgescheuchtes Huhn gewesen.“
Ich dachte an die Warnung von Mama vor rechthaberischen Frauen, und wollte bei der Gelegenheit meine Traumfrau gleich auf die Probe stellen. Ich trat ihr kühn entgegen:
„Sie, die Träumende, fühlten sich NICHT wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich kann das eine wie das andere behaupten, es ist nicht auszuschließen.“
„Ich war aber ein aufgescheuchtes Huhn.“
Ich griff mir in meine Hosentasche und kramte eine Schraube hervor, die ich vor ihr auf den Tisch legte und sagte:
„Sehen Sie, hier ist eine Eisenschraube.“
„Nono“, warf sie sofort ein, „die Schraube ist NICHT aus Eisen; nur wenn Sie mir zugestehen, ich sei in meinem Traum ein aufgescheuchtes Huhn gewesen.“
„Ich denke nicht daran! Die Schraube kann nicht das eine und andere sein. Entweder sie ist aus Eisen, oder sie ist es nicht. Ihr Traumhuhn könnte aber einmal ein aufgescheuchtes gewesen sein, ein anderes Mal ein NICHT aufgescheuchtes. Im Falle der Schraube ist aber nur eine Wahrheit möglich.“

Die Dame erhob sich von ihrem Stuhl, schaute mich genervt an, verabschiedete sich und zischte:
„Meinefresse, ihr Männer wollt immer alles besser wissen. Aber meine Mutter hatte mich ja gewarnt gehabt.“