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Thema: Katrin

  1. #1
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    Katrin

    gelöscht wegen teilnahme an online-projekt
    Geändert von Epiklord (25.04.2017 um 13:28 Uhr)

  2. #2
    Mitglied Avatar von Kopf.kino
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    Moin Epiklord.

    Deine Kurzgeschichte hat mir sehr zugesagt, was vor allem an der Sprache lag, in der du das Geschriebene verfasst hast. Der rote Faden ist konstant präsent – trotz gedanklichen Ausschweifungen, die deinen Erzählfluss jedoch keineswegs unterbrochen, sondern vorangetrieben haben. Das finde ich stark, da Ausschweifungen die Gefahr bergen, den Leser zu schnell zu langweilen und/oder aus der Geschichte herauskatapultieren. Ja, das hast du gut gelöst. Chapeau!
    Es gab ein paar Stellen, an denen ich dachte: „Das kann er/sie definitiv besser.“ und hier komme ich ins Spiel. Nimm es mir nicht krumm, aber da deine Geschichte mMn Potenzial hat, möchte ich dir die Schwachstellen aufzeigen, die mir persönlich aufgefallen sind. Ob du sie annehmen möchtest, liegt an dir. Letztendlich spricht meine Kritik für deine Geschichte – hätte sie mir nicht gefallen, würde ich mir die Mühe nicht machen, weißt du? Schau einfach mal, ob etwas für dich dabei ist.
    Grundsätzlich sage ich schon mal vorab, dass ich deinen Rhythmus ganz gelungen finde – die sehr langen (teils Schachtel-)Sätze werden von kürzeren „aufgelockert“, was wichtig ist, finde ich. Zur Form möchte ich noch anmerken, dass mir die Absätze ein Ticken zu willkürlich gesetzt sind.

    An einem kühlen Tag im November. (Der Satz wirkt unvollständig auf mich, da ein Verb fehlt. So etwas kann gut funktionieren, in diesem Fall nicht, finde ich. Dafür ist der Satz mMn zu bedeutungslos. Sprich, würde ich in den folgenden Satz einbauen. Vorschlag folgt.) Jens Sartorius öffnete, wie gewöhnlich, ein Fenster seiner Anwaltskanzlei zum Lüften, schaute über den gepflasterten Platz auf die weißgetünchten Barockbauten, als auf einem der (gegenüberliegenden) Balkons diese junge Frau auftauchte. (Vorschlag: An einem kühlen Novembertag öffnete Jens Sartorius....“) Sie war gerade erst dort eingezogen, zusammen mit ihrer älteren Schwester, wie er später erfuhr. Er hörte, wie die ältere Schwester ihren Namen rief. Katrin hieß sie. (Der neue Absatz bzw. Abschnitt macht mMn wenig Sinn, da der folgende Textabschnitt direkt am vorigen anknüpft.)

    Stundenlang saß sie manchmal da, der schmale Körper verschluckt von einem zu groß geratenen Mantel, („der schmale Körper von einem zu groß geratenen Mantel verschluckt“ würde ich schreiben. Der Satzbau scheint mir fließender) aus dem dies bleiche zierliche Gesicht hervorlugte, von seidigen blonden Haaren umfangen. (Der folgende Absatz macht mMn Sinn, da hier neue Gedanken aufkommen.)

    Es unterschied sich ganz und gar von diesen eintönigen, mumifizierten Visagen, die einem aus sämtlichen Illustrierten anlächelten, wo jede Falte, die das Leben geschrieben hatte, zugespachtelt war, und deren Kopien einem tagtäglich überall begegneten, die gleichermaßen von der Jet-set-Gesellschaft wie von den einfachen Leuten getragen wurden. Auf jeder Cocktailparty hatte Jens in diese aufgemotzten Fassaden-Gesichter gesehen. Es erschien ihm alles selbstverständlich. (Diesen Abschnitt finde ich sprachlich einfach klasse! Muss ich mal hervorheben. Warum dann wieder ein neuer Absatz folgt, verstehe ich jedoch nicht.)

    Hatte er sich nicht auch einen prachtvollen Kokon gesponnen, eine tolle Fassade geschaffen?, und als schillernder Hahn war ihm eins sicher - viele Hennen. (statt dem Gedankenstrich würde ich einen Doppelpunkt setzen, um die Aufklärung bzw. Antwort deutlicher zu unterstreichen.)

    Katrin erschien ihm als Wesen jenseits der Welt, in der er zu Hause war, mit all den aufgeputzten Gesichtern, die unbedingt gefallen wollten. In ihren aquamarinfarbenen Augen spiegelte sich ihm erstmals die Stille und die Schönheit eines selbstlosen Seins, der Zauber ungekannter Gefühle und Gedanken.

    Ein schweres Leiden musste sie quälen, ein ferner Schmerz. Aber das milde, gütige Lächeln einer Madonna um ihren feinen Mund,(Komma weg) verlieh ihr eine seltsame Zufriedenheit, eine innere Harmonie des geschundenen Individuums mit seinem gnadenlosen Kosmos. (hm, einen Satz mit einer Konjunktion zu beginnen, kann ein gewolltes Stilmittel sein, kann aber bei einer Überdosis im Gesamttext schnell als Umgangssprache rutschen. Hier würde ich vorschlagen: „Das milde, gütige Lächeln einer Madonna um ihren feinen Mund jedoch...“) Und Jens spürte, ihr gegenüber war er nur ein armer, nackter Spatz, der aus dem Nest gefallen war. (s.o. „Jens spürte,...“ reicht vollkommen, finde ich.) Er hatte seine Identität verloren. Die Raupe, die den herrlichen Kokon produziert hatte, war selbst zum Kokon erstarrt. Neun Räume besaß er und konnte doch zur Zeit nur in einem sein. (den zweiten Abschnitt des Satzes finde ich sprachlich erheblich schwächer als den bisherigen Rest. Vorschlag: „Neun Räume besaß er – dennoch bewohnte er lediglich einen.“ oder so) Sein ganzer Stolz lag im lächerlichen Bewusstsein, noch acht andere Räume zu besitzen.

    Obwohl sie (hier würde ich zur Abwechslung „Katrin“ schreiben) beim Laufen das rechte Bein etwas nachzog und sich ab und zu („ab und zu“ finde ich zu umgangssprachlich bzw. etwas unschön, da kurz vorher bereits ein „und“ steht. Vorschlag: gelegentlich, manchmal, zeitweise etc.) ein Mundwinkel vor Schmerz verzog, erweckte sie nicht den gequälten, mitleiderregenden Eindruck einer Behinderten. Nein, bei ihr erschien alles in gelöster Übereinstimmung; (hier würde ich einen Doppelpunkt setzen oder einen Gedankenstrich) das Leiden schien untrennbar mit ihrem Wesen verbunden, (Punkt statt Komma, dann wird der folgende Satz mehr betont.) es gab ihr sogar eine besondere Form von Würde.

    Durch den düsteren, wolkenverhangenen Himmel drängten sich einige Sonnenstrahlen, beleuchteten wie Scheinwerfer, (Komma weg) punktuell Ausschnitte des gepflasterten Platzbodens („Bodens“ reicht aus, oder?) und zwangen zur Konzentration. (hier frage mich, wen es zur Konzentration zwingt? Jens?) Den Farben des Herbstes haftet nicht das fröhlich Leichte („die fröhliche Leichtigkeit“ passt mMn eher in dein Sprachschema) der kunterbunten Blüten des Sommers an, diese Farben signalisierten Vergänglichkeit. (Hier bin ich mir als Leser unsicher, zu welchem Absatz ich jenen zuordnen soll. Gehört er schon zur Parkszene?)

    Eines Nachmittags, Jens Sartorius ging im Waldpark ein paar Schritte, setzte sich dort, wie jedes Mal, auf die einzige noch unzerstörte Bank. (Würde ich zwecks des Leseflusses etwas umstellen. Vorschlag: „Eines Nachmittags, als Jens S. Durch den Waldpark streifte, setzte er sich wie jedes Mal auf die einzig noch freie Bank.“ Die Sache mit der „unzerstörten Bank“ habe ich grundsätzlich nicht verstanden. Warum unzerstört?) Nach einer Weile stakste eine junge Frau durch den dichten Nebel. (Wenn der Nebel dicht ist, würde ich „eine junge Frau“ eher durch „eine schemenhafte Gestalt“ ersetzen, was bildlich mehr Sinn ergibt und den Leser kurzzeitig noch im Unklaren lässt, wer da kommt.) Sie zog das rechte Bein etwas nach und ihr Gesicht war ein bisschen vor Schmerz verkrampft. Es war Katrin. (Diesen Satz hätte ich als Leser nicht benötigt. Mir zumindest ist aufgrund der Beschreibung klar, dass es Katrin ist. Würde ich streichen.) Sie fragte nur kurz, ob sie sich setzen dürfte. (Da indirekte Rede, müsste es meines Wissens nach „dürfe“ heißen. Etwas unschön, dass zwei Sätze mit dem Subjekt beginnen. Vielleicht: „Bei der Bank angekommen,/Als sie die Bank erreichte, fragte sie...“ oder so ähnlich.) Er nickte. Schweigend saßen sie da. Ab und zu sahen sie sich an, mit gewichtigen ernsten Mienen, wie sie frisch Verliebten zueigen sind. (Vorschlag zum Lesefluss: „Ab und zu sahen sie sich mit gewichtigen ernsten Mienen an,...“, wobei ich, so glaube ich, noch die frisch Verliebte gesehen haben, die lediglich ernst schauen. Dieses Bild finde ich etwas unglaubwürdig.) Schaute sie dann wieder geradeaus, sah er, dass sie lächelte. (Schöne Idee – würde ich jedoch etwas umschreiben. Vorschlag: Sobald Katrin wieder geradeaus blickte, sah er aus dem Augenwinkel, dass sie lächelte.“ Was meinst du?)

    Ohne Absprache trafen sie sich nun jeden weiteren Tag auf der Sitzbank im Wald, saßen still da, horchten in sich hinein und in die schwerblütig anmutende Natur, sahen sich gelegentlich an, und waren glücklich. (Schöner Satz.) Unschuldig wie Kinder saßen sie beieinander. Dann dachte er daran, sie zu umarmen und sie zu seiner Freundin zu machen. Ihre Seelen hatten sich ja längst umschlungen und er lud sie (eines Tages?) zu sich nach Hause ein.

    Als der Zeitpunkt ihres Besuches näherrückte, überkamen ihn unsägliche Zweifel, ob er Katrins Persönlichkeit nicht zu sehr idealisieren würde, und eine Angst machte sich in ihm breit.

    Als Einzelkind war er aufgewachsen, seine Eltern waren ständig geschäftlich eingebunden, Jens sich selbst überlassen gewesen. (Den Satz finde ich etwas verwirrend, aber vermutlich hast du lediglich ein Wort vergessen? Vorschlag: „Als Einzelkind aufgewachsen war sich Jens, da seine Eltern ständig geschäftlich eingebunden waren, sich selbst überlassen gewesen.“) Er hatte es („es“ ist überflüssig, finde ich) gelernt, sich selbst zu genügen. (Hier würde ein neuer Absatz Sinn machen, da vom Plusquamperfekt ins Perfekt gesprungen wird.) Jetzt, wo er Katrin begegnet war, fühlte er diesen Mangel aus seiner Vergangenheit bedrohlich in ihm aufsteigen, diese Vereinsamung, und nun glaubte er, war diese egoistische, gefestigte Einheit zu keinem engen Bezug zu anderen mehr fähig. (Einziger Kritikpunkt stellt hier für mich das Wörtchen „jetzt“ dar, da wir uns in der Vergangenheit befinden. Vorschlag: „An jenem Tag“ oder ähnliches) Nie hatte er es mehr gespürt, als im Umgang mit ihr; dabei konnte er sich keine idealere Frau für sich vorstellen. War er aber allein, malte er liebevoll ihr Portrait und seine Gedanken kreisten um sie.

    Hier unterbreche ich mal, um vorsichtig nachzufragen, ob du eine derartige Kritik überhaupt möchtest. Natürlich fände ich es schade, wenn du ablehnst, da ich die Geschichte, was Idee und Sprache angeht, echt gut finde. Letztendlich bist du der Autor und hast das letzte Wort. Sag einfach Bescheid. :-)

    Gruß,
    K.

    PS: Ich hoffe, die farbligen Verweise haben dich nicht abgeschreckt. Sieht nach viel Kritik aus - ist es aber nicht. Meistens sind es Kleinigkeiten. Das Grundgerüst ist super und hat lediglich ein paar Schwächen, an denen du mMn noch etwas feilen könntest. Mehr nicht.
    PPS: Wenn ich einen Wunsch (bei dir) frei habe, dann würde ich mir einen neuen Titel wünschen, aber das ist Geschmackssache. Meiner Meinung nach wird der bloße Namenstitel deiner sprachlichen Raffinesse einfach nicht gerecht - abgesehen davon, dass ich solche Titel grundsätzlich nicht mag, prrr (ja, selbst bei den "Großen" - dank einer Empfehlung konnte ich mich überwinden, Dickens "David Copperfield" aufzuschlagen und nun liebe ich dieses Buch...). Da hast du Glück gehabt und ich übrigens auch. Anderenfalls wäre mir (wieder) eine gute Geschichte durch die Lappen gegangen.
    Geändert von Kopf.kino (30.03.2014 um 21:29 Uhr)

  3. #3
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    Moin Kopf.kino,

    es freut mich natürlich, dass dir die Geschichte zusagt. Ich hatte sie ja noch nicht feingeschliffen, wollte mir auch die Arbeit nicht machen. Wenn die KG sich beispielsweise zur Veröffentlichung in einer Literaturzeitschrift eignen würde, wäre eine Überarbeitung zwingend.

    Nun hast, du lieb Kopf.kino, aber bereits soviel Arbeit reingesteckt, und für mich ist es ein leichtes, deine Vorschläge auszuführen. Ich finde sie gut und plausibel. Bis auf eine vorgeschlagene Satzumstellung habe ich alles übernommen.

    Die "einzige unzerstörte Bank" bedeutet ja, dass Katrin sich nicht auf die anderen hätte hinsetzen können. Sind ja meist mehrere Bänke in einem Waldpark.


    Wenn du Lust hast, noch an dem restlichen Text zu schleifen, würde ich mich freuen. Deine bisherigen Bearbeitungen sind bereits drin.

    LG Epiklord

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