Ich würde gerne mit euch ein wenig über das Illustrieren fremder Texte philosophieren (gut, hier ist eher ein Comic- als ein Illustratorenforum, aber auch da kommt man ja hin und wieder in die Situation das Skript eines anderen Menschen zu comicifizieren).

In wie weit entfernt ihr euch von der Vorlage?

Eigentlich übernimmt man ja die kreative Arbeit eines anderen Menschen, und da gebietet es irgendwie der Respekt, dass man da nicht zu viel eigenmächtig herumdoktort. Und für den Leser ist es auch schön- wenn Text und Illu gut zusammenpassen - ich zumindest habe immer größte Freude an den englischen Scheibenweltcovern, wenn ich die Szene im Buch entdecke, die vorne sehr genau wiedergegeben ist.

ABER:
In einem geschriebenen Text gibt es viel mehr Möglichkeiten, Informationen in wenigen Sätzen wiederzugeben. Eine Szene kann mit wohlgesetzten Worten beschrieben werden, die zeichnerisch aber nicht so interessant wäre.

Nehmen wir als Beispiel eine Szene aus dem Hobbit: zwei Elben trinken einen über den Durst und schlafen darüber ein. Bilbo, unsichtbar, nutzt die Gelegenheit, einen Kerkerschlüssel zu moppsen, mit dem er seine Kumpanen befreit. In der Illu habe ich geschummelt, und habe den Mittelteil, nämlich dass die Elben über ihren Rausch einschlafen, unter den Tisch fallen lassen. Würde ich den Text 1:1 abbilden hätte ich entweder Süffelelben, oder Bilbo, der zum Schlüsselklau ansetzt (und nicht so spektakuläre schlafende Elben). Aber, wenn man ehrlich ist, wird damit der Text verfälscht In diesem speziellen Fall kann ich zu meiner Verteidigung anführen, dass Bilbo eh ein Leisetreter ist und mittels Ring unsichtbar ist, sodass ein Diebstahl auch bei Eleben möglich ist, die noch nicht im Schlafmodus sind.

Vom Bauchgefühl würde ich persönlich also sagen, dass eine Illu ruhig etwas vom Text weg sein kann, wenn es dem Bild dient. Ein Autor würde das wahrscheinlich wieder ganz ander sehen, oder? Wie haltet ihr das? Wo würdet ihr die Grenzen zeichnerischer Textmanipulation ansetzen? Oder gehört es zu den Fähigkeiten eines guten Illustrators, aus genau den Vorgaben, die er hat, ein gutes Bild zu stricken?

Skurrilerweise habe ich bisher nur Auftraggeber gehabt, denen diese Überlegungen ehrlich gesagt **** egal waren, hauptsache das Bild gefiel am Ende