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Thema: Illustrationen - wie nah an den Text haltet ihr euch?

  1. #1
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    Illustrationen - wie nah an den Text haltet ihr euch?

    Ich würde gerne mit euch ein wenig über das Illustrieren fremder Texte philosophieren (gut, hier ist eher ein Comic- als ein Illustratorenforum, aber auch da kommt man ja hin und wieder in die Situation das Skript eines anderen Menschen zu comicifizieren).

    In wie weit entfernt ihr euch von der Vorlage?

    Eigentlich übernimmt man ja die kreative Arbeit eines anderen Menschen, und da gebietet es irgendwie der Respekt, dass man da nicht zu viel eigenmächtig herumdoktort. Und für den Leser ist es auch schön- wenn Text und Illu gut zusammenpassen - ich zumindest habe immer größte Freude an den englischen Scheibenweltcovern, wenn ich die Szene im Buch entdecke, die vorne sehr genau wiedergegeben ist.

    ABER:
    In einem geschriebenen Text gibt es viel mehr Möglichkeiten, Informationen in wenigen Sätzen wiederzugeben. Eine Szene kann mit wohlgesetzten Worten beschrieben werden, die zeichnerisch aber nicht so interessant wäre.

    Nehmen wir als Beispiel eine Szene aus dem Hobbit: zwei Elben trinken einen über den Durst und schlafen darüber ein. Bilbo, unsichtbar, nutzt die Gelegenheit, einen Kerkerschlüssel zu moppsen, mit dem er seine Kumpanen befreit. In der Illu habe ich geschummelt, und habe den Mittelteil, nämlich dass die Elben über ihren Rausch einschlafen, unter den Tisch fallen lassen. Würde ich den Text 1:1 abbilden hätte ich entweder Süffelelben, oder Bilbo, der zum Schlüsselklau ansetzt (und nicht so spektakuläre schlafende Elben). Aber, wenn man ehrlich ist, wird damit der Text verfälscht In diesem speziellen Fall kann ich zu meiner Verteidigung anführen, dass Bilbo eh ein Leisetreter ist und mittels Ring unsichtbar ist, sodass ein Diebstahl auch bei Eleben möglich ist, die noch nicht im Schlafmodus sind.

    Vom Bauchgefühl würde ich persönlich also sagen, dass eine Illu ruhig etwas vom Text weg sein kann, wenn es dem Bild dient. Ein Autor würde das wahrscheinlich wieder ganz ander sehen, oder? Wie haltet ihr das? Wo würdet ihr die Grenzen zeichnerischer Textmanipulation ansetzen? Oder gehört es zu den Fähigkeiten eines guten Illustrators, aus genau den Vorgaben, die er hat, ein gutes Bild zu stricken?

    Skurrilerweise habe ich bisher nur Auftraggeber gehabt, denen diese Überlegungen ehrlich gesagt **** egal waren, hauptsache das Bild gefiel am Ende
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  2. #2
    Mitglied Avatar von Elif
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    Ich denke auch, dass man sich häufig ein wenig Freiheit nehmen kann und muss, damit das Bild gut wirkt.
    Ich arbeite häufig mit direkten Bildbeschreibungen von Autoren und man merkt bei manchen schon, dass es ihnen nicht so leicht fällt, eine Szene so zu beschreiben, dass sie 1:1 auf ein Bild übertragen werden kann. Also muss ich sogar dann, wenn die Autoren eigentlich genau wissen, was sie auf dem Bild haben wollen, ein bisschen "korrigieren", um das ganze zu einer funktionierenden Illustration werden zu lassen. Ich denke, dass das auch zu dem gehört, was ein Illustrator leisten muss, denn man ist als solcher ja einfach geübter darin, Kompositionen zu entwerfen und sich ein Bild auch umsetzbar vorzustellen Und dass manche Dinge kompositionstechnisch nicht funktionieren oder nicht gut aussehen, wissen Autoren ja häufig nicht, daher ist es meiner Meinung nach schon legitim, da ein wenig über die Vorgaben hinwegzusehen.

  3. #3
    Alumna (ehemaliges Teammitglied) Avatar von Jenny
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    Darüber habe ich im Sommer an einer Podiumsdiskussion teilgenommen, gerade im Tolkien-Bereich ist das spannend, weil die Fans da solche Ameisenf***er sind Ich sage nur Haarfarben! Todesdrohungen sind keine Seltenheit.

    In Prozenten ausgedrückt halte ich mich wohl immer so zu 80-90 Prozent genau an die Vorlage, lese Textstellen vorher nochmal, checke Haarfarben gegen (ein oft schwieriges Unterfangen...) und die meisten Änderungen die ich vornehme, haben mit Layout zu tun oder Lichtverhältnissen. 3 meiner Lieblingskapitel im Silmarillion spielen in völliger Finsternis, was in der Erzählung aber nicht weiter wichtig ist - teilweise vergesse ich es selbst oder mach's eben heller.

    Wenn ich selber Illustrationen betrachte, zähle ich mich selbst auch zu den Ameisenf***ern. Ich möchte keine großen Missachtungen des Textes sehen (Sommer statt Winter, vom Autoren beschriebenes Aussehen stimmt hinten und vorne nicht,, falsche Figuren anwesend etc), wobei ich grade bei deinem Beispiel, Riana, eine Menge Spielraum lasse. Ich hatte mich dabei gar nicht daran gestört, dass die beiden noch wach oder Bilbo sichtbar ist. Unsichtbarkeit würde ich vermutlich auch ignorieren (hat Tolkien selbst auch getan, und Bilbo sogar Schuhe angezogen sowie Nacht in Tag geändert), und in ein Bild kombiniere ich häufig Aktion und Reaktion. Wenn man keinen Comic draus macht, ist es normal, denke ich, wenn man die Handlungsabläufe in einem Bild aus einem längeren Zeitraum herausnimmt - als Illustrator mache ich nunmal kein Polaroid, sondern illustriere eine Szene. Wenn es sich anbietet.

    An Auftraggebern habe ich beide Extreme erlebt. Wobei das in der prä-Tolkien-Aufträge-Zeit erheblich schlimmer war. Wer seine eigene Story illustrieren lässt, der hängt daran häufig so sehr, dass er durch ständige Änderungen und absolut kleinliche Meckereien am Ende einen komplett unansehnlichen Hybriden hat aus dem, was ich machen wollte aber nicht durfte, und dem, was er sich vorstellte aber nicht kommunizieren konnte. Das sind die Aufträge, bei denen ich heute noch Pickel kriege, wenn ich sie ansehe. Ich wurde das heute völlig anders angehen und mir herausnehmen zu sagen, ich bin der visuelle von uns beiden, und ich soll es umsetzen. Ich schicke dir mehrere Thumbnails, und sobald du einen davon gewählt hast und die Skizze steht, wird schlicht nichts mehr geändert (nicht mal das Tattoo am Oberarm weiter nach oben - dir ist wichtig, dass das Schlangenauge auf dem Trizeps liegt, aber das wusste ich nicht, als ich dafür sorgte, dass das Muster keine Tangenten mit dem Stuhlbein bildet, also bleibt es, wo es ist!) Der Auftraggeber hat häufig keine Vorstellung davon, was eine für ihn kleine Änderung im Layout bedeutet.

    Das ist einer der Gründe, warum ich mich für Aufträge fast nur auf Tolkien konzentriere, wenn möglich. Da wird mir schlicht das Vertrauen entgegengebracht, das zu erheblich homogeneren und stimmigen Bildern führt, die ich plane und ausführe.
    Geändert von Jenny (20.01.2013 um 08:54 Uhr)

  4. #4
    Mitglied Avatar von Geier
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    Ich halte mich so eng wie nur möglich an die Textvorgabe, ich soll sie schließlich illustrieren und nicht interpretieren. Was die exakte Umsetzung angeht haben Autoren+Redakteure das bislang zwar eher locker gesehen, aber die Leser können ziemlich pingelig sein und im Internet macht dann schnell mal ne Meckerorgie die Runde. Insb bei historischen Büchern brauche ich ewig für Recherchen weil mit Sicherheit Leser dabei sind die auf jeden kleinen Fehler in der Kleidung, Wappen oÄ rumreiten . IdR kann ich mir die Szenen selber aussuchen bw Vorschläge machen, von daher vermeide ich "Problembilder". Schwierig wirds wenn mir Szenen vorgegeben werden, Autoren haben seltsamerweise nicht selten keine Vorstellung wie ein Motiv als Bild wirkt - einmal mußte ich einem Redakteur alle seine Vorschläge wieder ausreden weil sie durch die Bank uninteressant waren, seitdem habe ich da freie Hand

  5. #5
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    Historisches ist ganz wichtig, stimmt - und da geht es echt nicht ohne Recherche. Ganz schlimm finde ich Aufträge, für die ich mich in Welten von Design-Details fuchsen muss, die mir absolut nichts sagen, bei denen jeder Kenner aber jede noch so winzige Abweichung sofort als falsch erkennt. Da war letztes Jahr so ne Warhammer-Commission, die mich an den Rand des Wahnsinns brachte...

  6. #6
    Mitglied Avatar von Vainamoinen
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    Zitat Zitat von Jenny Beitrag anzeigen
    Unsichtbarkeit würde ich vermutlich auch ignorieren (hat Tolkien selbst auch getan, und Bilbo sogar Schuhe angezogen
    Tolkien im März 1938 in einem Brief an seinen Verleger, betreffend das Bild "Conversation with Smaug", in dem Bilbo ebenfalls Schuhe trägt und nur mühsam "unsichtbar" ist:

    "The hobbit in the picture of the gold-hoard, chapter XII, is of course (apart from being fat in the wrong places) enormously too large. But (as my children, at any rate, understand) he is really in a separate picture or "plane" - being invisible to the dragon. There is in the text no mention of his acquiring boots. There should be! It has dropped out somehow or other in the various revisions - the bootings occured at Rivendell; and he was again bootless after leaving Rivendell on the way home."

    Hier hätte ein Illustrator den Vorteil gehabt, erst mit der gelesenen finalen Version des Buches den Malkasten auszupacken. Tolkiens 'Bild im Kopf' war dagegen noch nicht final, als er enthusiastisch zu illustrieren begann. Die Unsichtbarkeit generiert John Ronald über eine - sehen wir es wie es ist - ikonisch-comichafte "Wolke" um den Protagonisten. Da ist professionellen Illustratoren einfach ein breiteres visuell-kreatives Vokabular gegeben als dem Englisch-Professor. Unsichtbarkeit "darzustellen" ist aber ohne Zweifel eine Herausforderung, und ich kreuzige Niemanden, der dieses Detail einfach weglässt (gerade im Hobbit; denn wenn wir Bilbo nicht mehr über die Schultern sehen, ist es nicht mehr "der Hobbit" ).

    2011 hat die Seite "Art Order" einmal die Aufgabe ausgegeben, Eowyn gegen den Nazgul zu illustrieren. Da ich noch nie (ja, nie!) eine Szene aus dem Herrn der Ringe zu illustrieren versucht hatte, habe ich mich an eine Variante gesetzt (die nie über das Skizzenstadium hinauskam). Bereits während des Wettbewerbs wurde bei der Kritik der noch entstehenden Werke die Doktrin ausgegeben, man möge den Moment des finalen Schwertstiches eben NICHT zeigen, weil:

    "The composition [...] leaves us at the moment we aren't really curious about. It's the moment of impact. Generally, try to avoid the moment of impact because a painting is stationary" (Greg Manchess)

    "the Lord of the Nazgul isn't very threatening, and Eowyn seems invincible, terrible, unstoppable. The drama is somewhat lessened." (Justin Gerard)

    Aber wie enttäuschend ist der Job des Illustrators denn bitte, wenn er seine Helden nicht im Moment des Heldentums zeigen darf!? Das Buch sagt: Eowyn ersticht den Nazgul; Eowyn fällt auf den Nazgul. Das wollte ich weit interpretieren, indem ich mit der Prämisse arbeitete, der Fall wäre noch der Energie des Stiches zuzuschreiben. Also: Eowyn wirft sich auf ihren Feind, und sie fallen gemeinsam. Der Moment des Falls ist dynamisch - und damit das Drama nicht verwässert.




    Komplett Tolkien-häretisch - oder akzeptable Idee?

    Die Challenge hat einen riesigen Haufen beeindruckender Fantasy-Illustrationen hervorgebracht, von denen mich die meisten aufgrund meines eigenen kleinen Ameisenfängertums jedoch enttäuschten. Drei Mal sagt das Buch: Sie WEINT.

    Kein Prozent der Illustratoren wollte das zeigen.

    p.s. Riana: BILD SEHEN WOLLEN.
    Geändert von Vainamoinen (21.01.2013 um 21:24 Uhr)

  7. #7
    Moderator Künstlerbereich Avatar von Fumetto
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    Zitat Zitat von Geier Beitrag anzeigen
    Ich halte mich so eng wie nur möglich an die Textvorgabe, ich soll sie schließlich illustrieren und nicht interpretieren.
    Da muss ich dir ein wenig widersprechen, Geier, Illustrieren ist imo immer zugleich auch Interpretieren. Das sieht man schon, wenn man sich etwa mit der Illustrationsgeschichte einzelner Grimmscher Märchen beschäftigt. Natürlich gibt es für viele Illus einen harten Faktenkern (etwa die von Jenny erwähnten blonden oder schwarzen Haare oder eben das rote Käppchen im "Rotkäppchen"), aber im Grunde genommen fertigt man doch keine Illustration an, um die in einem Text angegebenen Fakten möglichst getreu und buchhalterisch exakt umzusetzen (das wäre künstlerisches Preußentum). Wer illustriert, will - im Gegenteil - das innere Bild festhalten, das ein Text in ihm oder ihr freisetzt. Im Glücksfall findet man eine Handvoll Leute, deren innere Bilder dem eigenen inneren Bild ganz ähnlich sind.
    Grundsätzlich, liebe Riana, würde ich mir beim Illustrieren alle Freiheiten nehmen, die möglich und nötig sind, damit du das Gefühl hast: Ja, genau so sehe ich diese Textstelle vor mir. Wie der Autor selbst oder andere sie sehen (etwa die sogenannte Tolkien-Gemeinde, die mir besonders in jüngster Zeit durch ihren Textfundamentalismus negativ aufgefallen ist), muss zweitrangig sein - auch wenn man hier doch immer auch mit den allerstärksten Interferenzen rechnen muss. Ansonsten unterwirfst du dich ästhetischen Diktaten, die vielleicht nicht deine eigenen sind, und das schafft nur Frust und Ungenügen. Wenn du genau dies aber tun musst - dich dem ästhetischen Diktat anderer unterwerfen -, weil es sich womöglich um eine Auftrags-Illu handelt, ist es mit den Spielräumen natürlich meistens weitgehend vorbei. Dann musst du schauen, inwiefern du die künstlerische Dienstleistung mit deinem Autonomiedrang vereinbaren kannst.
    Bref:

  8. #8
    Mitglied Avatar von Geier
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    "künstlerisches Preußentum" gefällt mir

  9. #9
    Mitglied Avatar von Viktor Bogdanovic
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    Aus der Perspektive eines Comiczeichners kann ich sagen: Ich nehme mir alle Freiheiten die ich brauche, wenn es darum geht, ein Comic-Script umzusetzen. Für mich ist hier die Rollenverteilung nicht anders als beim Film: Das Script ist die Vorlage. Der Regisseur bin ich. Es gibt tausend Arten, eine Szene zu zeichnen und ich muss eine finden, die für mich funktioniert. Dieses Selbstbewusstsein musste ich mir aber lange erarbeiten.

    Bei einzelnen Illustrationen halte ich es wie Jenny: Man einigt sich auf ein Layout und dann wird gezeichnet. Änderungen gibt's nur in äussersten Ausnahmefällen und auch nur solche, die leicht zu bewerkstelligen sind.

  10. #10
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    Von Fan32 aus dem Internet würde ich mir jetzt auch nicht vorschreiben lassen, wie mein Bild aussieht Wenn eine Meinung zählt, dann entweder die des Pinunzengebers, und/oder die des Autors. Aber es ist schon eine Forderung (und manchmal eine Herrausforderung), den dem Text gerecht zu werden. Wenn ein Autor einen dicken Protagonisten beschreibt, ist es panne, den Menschen zu verschlanken, nur weil man das optisch ansprechender findet. Aber da sind wir uns wohl alle einig Aber klar, preussisches Abmalen kann sehr langweilig sein.

    Aber nehmen wir mal als Beispiel die von Vainamoinen geschilderte Szene, weil das gut in die Problemstellung passt, auf die ich hinaus will: Tolkien schreibt also: Eowyn weint. Dann denkt man sich also als Zeichner vielleicht: Och nöö, ne weinende Heldin, hmm, passt nicht so zu meinem Konzept, dass lass ich weg (oder man hat es, so wie ich gerade, einfach vergessen). Dieses kleine Detail sagt ja aber ganz viel über die Situation aus, und Tolkien hat das wahrscheinlich nicht aus Spass an der Freude so geschreiben.

    Muss deshalb ein Close-Up von Eowyn gezeichnet werden, damit man die Tränen und ihren Gesichtsausdruck sieht? Wäre wahrscheinlich bilnderisch nicht so eine elegante Lösung. Bleiben wir also bei einem größeren Bildausschnitt, damit da noch der Nazghul drauf passt, und Eowyn beim zu-stechen gezigt wird. Das Sahnehäubchen wäre doch jetzt, wenn man die zustechende Eowyn jetzt in einer Körperhaltung zeigen könnte, in der man ihr von-hinten-beim-zustechen dass Weinen ansieht.

    ...

    Ich gebe zu, dass wird schwierig

    Vielleicht ist der Königsweg, wenn man als Illustrator verstehen kann, was der Autor mit seinem Text aussagen will, und es dann schafft, diese Aussage mit den bildnerischen Mitteln umzusetzen, die grafisch am Besten geeignet sind.

    PS: Zur Eowyn und dem Zustechen: Es gibt zumindest die Theorie, dass Bilder oft noch mehr Spannung erzeugen, wenn die eigentliche Action ganz kurz bevorsteht, als wenn es schon munter zu Sache geht. Finde ich aber sehr anspruchsvoll, dass so genau umzusetzen. Die Interpetation mit dem Fallen hätte ich jetzt auch nicht als frevlerische angesehen :-)
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  11. #11
    Moderator Künstlerbereich Avatar von Fumetto
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    Zitat Zitat von Riana Beitrag anzeigen

    Vielleicht ist der Königsweg, wenn man als Illustrator verstehen kann, was der Autor mit seinem Text aussagen will, und es dann schafft, diese Aussage mit den bildnerischen Mitteln umzusetzen, die grafisch am Besten geeignet sind.
    Meine Studenten im ersten Semester gehen mehrheitlich davon aus, dass Dramen, Gedichte oder Erzähltexte eine Aussage enthalten, die der Autor hineingelegt hat und die sie nun mittels der Analyse wieder herausholen müssen. Am besten irgendetwas Gesellschaftskritisches. So hat es ihnen die Schule beigebracht. Furchtbar. Ich nenne das Nimm-2-Didaktik (Bonbon in Papier rein, Bonbon aus Papier raus, Papier wird weggeschmissen, Bonbon ausgelutscht).
    Das einzige, was beim Lesen zählt, bist du, ist dein Bewusstsein. Ohne dich und deine Einbildungskraft oder Phantasie wäre der Text tot. Du machst ihn lebendig. Die Autoraussage ist schnuppe. Sie ist die Erfindung von Schulmeistern, die sich nicht vorstellen können, dass Literatur etwas ist, was sich der Kontrolle des Autors und des Lesers immer entzieht. Und die sich vor allem nicht vorstellen können, das manche Literatur ihren Schülern etwas anderes bedeutet als das, was in der Klett-Lektürehilfe steht.
    Aber ich schweife ab, sorry.
    Vielleicht muss man beim Illustrieren einfach unterscheiden zwischen der Sachebene und der Bedeutungsebene. Wenn da steht "Eowyn weinte", dann gehört das Weinen selbstverständlich zur Sachebene und lässt sich deshalb nicht als Lachen darstellen. Aber wie sie weint, ob mit traurigem oder zornigem oder ganz leerem Gesichtsausdruck, ist eine Frage der Bedeutung, die du als Illustratorin der Szene gibst. Alle große Literatur lässt dir als Leser/Illustratorin diese Imaginationsspielräume. Nur die schlechte Literatur muss alles bis ins Letzte ausschildern (ich denke hier etwa an Bernhard Hennens Roman "Die Elfen", den ich letzthin nach zweihundert Seiten weggelegt habe; der Hennen hat so viel Angst davor, dass seine Leser sich etwas nicht vorstellen können, dass er ihnen alles, alles, alles beschreibt; so kommt er auf knapp tausend wartezimmerlangweilige Seiten).

    Die Theorie, dass man eine Handlung kurz vor oder kurz nach ihrer Durchführung darstellen solle, kommt übrigens von Lessing. Er meinte, damit werde dem Leser/Betrachter am meisten Spielraum für seine Phantasie gelassen. Nicht falsch, diese Theorie.

  12. #12
    Alumna (ehemaliges Teammitglied) Avatar von Jenny
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    Meine Studenten im ersten Semester gehen mehrheitlich davon aus, dass Dramen, Gedichte oder Erzähltexte eine Aussage enthalten, die der Autor hineingelegt hat und die sie nun mittels der Analyse wieder herausholen müssen. Am besten irgendetwas Gesellschaftskritisches. So hat es ihnen die Schule beigebracht. Furchtbar. Ich nenne das Nimm-2-Didaktik (Bonbon in Papier rein, Bonbon aus Papier raus, Papier wird weggeschmissen, Bonbon ausgelutscht)[...] manche Literatur ihren Schülern etwas anderes bedeutet als das, was in der Klett-Lektürehilfe steht
    Fum, ich liebe dich.

    Platonisch.

    Das kriegt mein nächster Englischkurs zu hören. Grandios!
    Geändert von Jenny (22.01.2013 um 12:53 Uhr)

  13. #13
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    Hier mal meine Sicht als "Auftraggeber". Ich schreibe ja z.Zt. einen Webcomic, den Michael Roos dann für mich zeichnet. In meinen Scripten gebe ich vor, was wann wo gesagt wird, wie die Szenen mMn ausschauen sollen. Allerdings sehe ich das nicht als in Stein gemeisselt an - ich bin in der Hinsicht äusserst froh, dass Michael mir auch Veto gibt, mir eine Rückmeldung über Machbarkeit und Sinn/Unsinn gibt und entsprechend Verbesserungsvorschläge anbringt.
    Ich sehe das Projekt als Zusammenarbeit, als produktives Miteinander. Ich zahle zwar dafür, aber mir ist das Endprodukt wesentlich lieber, wenn es mit Hingabe, mit Herzblut als mit Blick auf die Uhr und das Schreiben der Rechnung gemacht wird. Einige Bekannte haben mich auch gefragt, warum ich den Zeichnerauftrag nicht in günstigere Länder vergeben habe - aber ich will ja eben eine Kooperation mit einem interessierten Zeichner, damit etwas möglichst Gutes dabei rauskommt.

    Von daher: Habt nicht Angst vor eurer eigenen Courage. Wenn ihr der Meinung seid, dass etwas in einer Illustration besser wirkt als in der Vorgabe, sprecht das kurz mit dem Auftraggeber ab und setzt es dann mit dem entsprechenden Konsens um.

  14. #14
    Alumna (ehemaliges Teammitglied) Avatar von Jenny
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    Ich sehe das Projekt als Zusammenarbeit, als produktives Miteinander.
    So soll es sein und in je professionelleren Kreisen du dich bewegst, desto selbstverständlicher ist diese Auffassung. Ganz übel ist es bei ambitionierten Hobbyisten, die über Nacht einen Verlag gegründet haben und dich als Arbeitssklaven sehen. Oder so etwas wie eine talentierte rechte Hand, die sie nach Bedarf an ihre zeichnerisch untalentierte schrauben können, wobei beide Seiten drunter leiden, dass die Kommunikation mit dem Hirn natürlich nicht klappt!

    Ich hatte davon in den Jahren 2003-2005 viele, viele. Liebhaber basteln ein Rollenspiel/schreiben einen Roman/geben ein neues Kartenspiel heraus und haben eine hundertprozentige Vorstellung, welche Bilder in welchem Format wo stehen sollen. Und gemessen daran, wie exakt ihre Vorstellung ist, ist es unfassbar, wie wenig es ihnen gelingt, das dem Zeichner mitzuteilen. Ganz abgesehen davon sollst du natürlich auch bitte in dem-und-dem Stil arbeiten, so dass du dich fragst, wie um Gottes Willen sie überhaupt auf dich gekommen sind. Vermutlich, weil Frank Frazetta abgesagt hat. (Und vermutlich aus Budget-Gründen.)

    Fast alle professionellen Art Directors, mit denen ich je gearbeitet habe, lassen dich an einer sehr langen Leine.

    Die Theorie, dass man eine Handlung kurz vor oder kurz nach ihrer Durchführung darstellen solle, kommt übrigens von Lessing. Er meinte, damit werde dem Leser/Betrachter am meisten Spielraum für seine Phantasie gelassen. Nicht falsch, diese Theorie.
    Der neige ich sehr zu. Das passt zu "The reader never gets to see the actual punch!", das ich als goldene Regel mal in einem How-to-Buch über Comics fand. Sowie zu meiner persönlichen Liebe zur Ruhe vor oder nach dem Sturm.

  15. #15
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    Zitat Zitat von QBorg Beitrag anzeigen
    [...] sprecht das kurz mit dem Auftraggeber ab und setzt es dann mit dem entsprechenden Konsens um.
    So würd ich das auch sehen.

  16. #16
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    Herrlich Fumetto, diese Diskussion müsste man eigentlich bei einem Bierchen führen. Da habe ich mich mal wieder umständlich ausgedrückt - mach aus meinem Statement aus der Aussage "Information", dann wird vielleicht eher ein Schuh draus. Bei deiner Trennung zwischen Sach- und bedeutungsebene bin ich deiner Meinung (und auch, was die Elfen angeht. Und zwanghaftes Interpretieren im Deutschunterrricht ).
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  17. #17
    Mitglied Avatar von Vainamoinen
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    Zitat Zitat von Riana Beitrag anzeigen
    Und zwanghaftes Interpretieren im Deutschunterrricht ).
    Mann Mann Mann, jetzt stachelt doch den Magister der Literaturwissenschaft hier nicht dazu an, noch was zu Dingen zu sagen, wozu er tatsächlich etwas sagen könnte.

    Zitat Zitat von Fumetto Beitrag anzeigen
    Nur die schlechte Literatur muss alles bis ins Letzte ausschildern.
    Für diese Worte vielen Dank. Man hat mir Tolkien wiederholt als schlechten Autoren geschildert, weil er es unterlassen habe, im Herrn der Ringe Legolas' oder Gimlis Aussehen zu schildern. Da kann ich mir bessere Argumente vorstellen.

    Dass Schüler auf die Idee kommen, Interpretationen "abzumalen", finde ich verständlich. Man stellt sich immer vor, als guter Lehrmeister könne man für seine Schüler einfach den Schleier vor der Materie herunterreißen und sie das Wahre selbst sehen lassen. Und dann erwischt man sich selbst dabei, stattdessen mit dem Finger zu zeigen.


    Zitat Zitat von Jenny Beitrag anzeigen
    Liebhaber basteln ein Rollenspiel/schreiben einen Roman/geben ein neues Kartenspiel heraus und haben eine hundertprozentige Vorstellung, welche Bilder in welchem Format wo stehen sollen. Und gemessen daran, wie exakt ihre Vorstellung ist, ist es unfassbar, wie wenig es ihnen gelingt, das dem Zeichner mitzuteilen.
    Wenn es nur ein Formulierungsproblem ist, geht's ja noch. Oft glaubt der Laien-"Auftraggeber" jedoch, eine exakte Vorstellung zu haben - kann jedoch nicht visuell genug denken. Seine tatsächliche Vorstellungswelt formt sich dann erst durch das trial und error, die kontinuierlichen Revisionen und die kontinuierliche Ablehnung der Vision des armen freiwilligen Künstlers.
    Geändert von Vainamoinen (29.01.2013 um 22:24 Uhr)

  18. #18
    Alumna (ehemaliges Teammitglied) Avatar von Jenny
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    Genau so meinte ich das. Gerade die Art Directors kleiner, neuer (erfolgloser und bald wieder in der Versenkung verschwindender) Verlage haben ja mit Kunst nichts am Hut; sie haben den Job übernommen, weil sie Bilder schön finden. Sie haben vielleicht ein berühmtes, fertiges Bild im Kopf, und möchten ihres bitte "genau so". Nur mit bitte ganz vielen Änderungen. Und wundern sich, warum es nicht mehr "genau so" aussieht.

  19. #19
    Mitglied Avatar von Geier
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    Was Information und Interpretation angeht.
    Ich hab wiedermal einen historischen Roman auf dem Tisch den ich illustrieren soll. Diesmal sollen die Bilder nicht im Text sondern am Kapitelanfang stehen (was schonmal einen Unterschied bei der Motivwahl ausmacht). Und schon bin ich beim interpretieren, was sind die Schlüßelszenen, welche geben die Grundstimmung am besten wieder, welche sind für das Kapitel am Bedeutensten ohne für den Leser einen Spoiler darzustellen? Eventuell hab ich da andere Vorstellungen als der Autor was wichtig ist oder was nicht. In der Praxis mache ich ein paar Skizzen die möglichst alles abdecken und der Autor sucht sich was aus (Nicht selten genau das was ich nicht genommen hätte ) oder macht selber einen Vorschlag und je nachdem wie populär der ist kann man ein Veto einlegen.
    Und nun kommt die Information. Was steht an der Stelle im Text und wie genau sind da die Angaben (meist eher vage) - an der Stelle kann ich aber immer noch interpretieren, mit dem Blickwinkel, wie die Personen zueinander stehen etc läßt sich die Aussage/Stimmung der Szene lenken. Nichts interpretieren oder abändern kann man beim Setting (im aktuellen Fall die Zeit der Ottonen), da muß elend recherchiert werden damit es historisch korrekt ist. Natürlich kann man sich an entsprechenden Kino+TV-Filmen orientieren, aber die sind oft mehr Fantasy als historisch richtig und schon hat man nen Shitstorm der Leser am Hals.

  20. #20
    Mitglied Avatar von Vainamoinen
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    Preisfrage: Für welche dieser Kompositionen von Dan Dos Santos hat sich der Art Director entschieden?



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  21. #21
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