Sara
48 Stunden zuvor
Jane parkte seinen Citroen DS auf der anderen Straßenseite des Tatorts.
Er stellte den Motor ab und beobachtete das treiben vor dem schönen Einfamilienhaus. Zwei Streifenwagen der Örtlichen Polizei parkten direkt davor. Zwei uniformierte sperrten den Tatort vor neugierigen ab. Es schien fast so, als sein die ganze Nachbarschaft zusammengetroffen, um in Erfahrung zu bringen, was passiert war. Einige reckten ihre Hälse. Andere fotografierten mit ihren Handys. Das Haus selber lag in einen der besseren Orte von Sacramento. Hier waren alle Häuser ordentlich, alle Vorgärten perfekt aufeinander abgestimmt. Apfelbäume zierten die lupenreinen Gehwege, man hätte von ihnen essen können. Es wirkte alles so friedlich, so perfekt. Wie das Paradies. Doch niemand wusste es besser als Jane, das gerade da, wo man es am wenigsten vermutete, das Grauen wohnte. Lisbon hatte ihn vor etwa einer Stunde angerufen.
Ein Kind war verschwunden, und Entführungen fallen genauso in den Zuständigkeitsbereich des CBI wie Mord. Jane ließ seinen Blick über die Köpfe der Schaulustigen gleiten, beobachtete, spinnt zu jeden Mann und jeder Frau die dort stand eine Geschichte. Sie alle hatten eine, die eine eher harmlos, die andere bösartig und schmutzig. Welche Geschichte würden wohl die Eltern des entführen Mädchens erzählen?
Patrick zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und stieg aus seinem Wagen aus. Ohne die Tür abzuschließen schlenderte er langsam zu dem Haus hinüber. An seinem Jackett trug er seinen CBI Ausweis, welcher er dem Polizisten zeigte, als dieser ihn anhalten wollte. Als er den Ausweis hinhielt ließ ihn der Polizist passieren. Im Sprint hechtete Jane die vier Stufen zur Haustür hinauf, welche offenstand. Neben der Tür stand ein weiterer Polizist, der seinen Daumen im Gürtel eingehakt hatte und an einen Cowboy erinnerte. Auch ihm lächelte Jane freundlich zu, was der Beamte mit einem stummen nicken quittierte.
Der Flur, der vor ihm lag war sauber und ordentlich. So würde es sicher im ganzen Haus aussehen, mutmaßte Jane und sah die Treppe hinauf, die in den ersten Stock führte.
„Ah Jane, da bist du ja“, Lisbon tauchte aus dem Wohnzimmer auf.
„Die Eltern der kleinen sind in der Küche… wollen wir gleich los und du ziehst dein Ding durch?“
„Gleich Lisbon, ich will mir erst mal einen Eindruck verschaffen. Ich will mir das Kinderzimmer anschauen.“
Lisbon sah ihn unsicher an, doch sie arbeiteten jetzt lange genug zusammen, um zu wissen was das Beste war.
„Nun gut, ich warte in der Küche.“
„Wo sind Cho und Rigsby?“
„Befragen Zeugen, wieso?“
„Ach nur so. Gut, ich sehe mich kurz oben um und komme dann zu dir in die Küche.“
„Okay“, Lisbon sah ihm fragend nach, als er die Treppe hinauf lief. Wie zu erwarten, war es hier oben ebenfalls sauber und aufgeräumt.
An den Himmelblauen Wänden hingen viele Familienfotos. Vater, Mutter und Tochter lächelten in die Kamera. Jane blieb an einem der Fotos hängen und beobachtet es genauer. Oberflächlich schien es so normal zu sein, wie die anderen auch. Aber trotzdem gab es da eine Kleinigkeit die ihm auffiel.
Jane hatte bereits eine Ahnung und lief weiter. Das Zimmer der kleinen zu finden war nicht schwer.
An ihrer Tür hing ein Schild mit ihrem Namen in bunten Buchstaben.
Sara.
Jane öffnete die Tür und trat ein. Es war schön eingerichtet. Die Wände waren in einem dunklen Lila-Ton gestrichen worden. Eine Kommode stand direkt links neben der Tür.
Ihr großes Bett stand auf der anderen Seite, direkt unter einem Fenster. Die Wand über dem Bett war mit Postern regelrecht zugepflastert. Es zeigte irgendwelche Teenie-Stars, mit denen Jane nichts anfangen konnte. Trotzdem musste er bei dem Gedanken lächeln, dass das Zimmer seiner Tochter ähnlich aussehen könnte. Er sah sich weiter um und ging langsam auf Sara´s Schreibtisch zu, der neben dem Bett stand. Auf ihm lagen einige Bücher, Zettel und zwei Bilderrahmen standen in der rechten Ecke. Sie zeigte das Mädchen mit ihrem Vater, aber ohne die Mutter. Jane´s Vermutung verhärtete sich. Er nahm eines der Bilder auf und sah es sich genauer an. Vater und Tochter standen sich sehr nah, daran bestand kein Zweifel.
„Wer sind Sie?“
Patrick stellte den Bilderahmen wieder zurück und drehte sich um.
In der Tür stand eine Frau mittleren Alters. Sie trug langes, blondes Haar. Sie wirkte unscheinbar, fast schon langweilig normal. Aber ihre Körperhaltung strotze nur so vor Dominanz.
Er trat auf sie zu und gab ihr die Hand.
„Patrick Jane, ich bin Berater beim CBI und will helfen, ihre Tochter wiederzufinden“, stellte er sich vor.
„Sie sind Sara´s Mutter, nehme ich an?“
„Ja“, sie zog ihre Hand zurück und reckte ihr Kinn. „Das bin ich.“
„Ihre Tochter hat ein schönes Zimmer, ganz so wie es für ein Mädchen in ihrem alter aussehen muss.“
Die Mutter grinste kurz freudlos auf.
„Ja, es ist ihr kleines Reich.“
„Mhm, ich nehme an hier her zieht sie sich immer zurück, wenn es ihr mal schlecht geht. Ich sehe, dass es kein Schloss in ihrer Tür gibt?“
Die Mutter blickte über ihre Schulter.
„Das ist richtig, es gibt in diesem Haus kein Geheimnis.“
„Ich vermute, ihr Mann hat das entschieden?“
Patrick sah ihr sehr genau in die Augen, als er das Fragte. In ihren blauen Augen blitzte für einen Moment Spott auf.
„Wir haben das entschieden“, stellte sie klar.
„Klar, ich habe hier oben alles gesehen, wollen wir vielleicht einen Tee trinken?“
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