Bokka öffnete seine linke Hand und ließ Yami hustend zu Boden sinken, wo dieser versuchte sich langsam wieder zu fangen. Seine Gedanken kreisten um das was eben geschehen war und es erinnerte ihn an die endlosen selbstachtungsvernichtenden Auseinandersetzungen mit Ryo.
Er biss die Zähne zusammen, blickte nach oben und sah wie ihm Bokka den Rücken zuwandt, um sich in den dunklen Gängen zu orientieren.
Es war nicht nur die übliche Abneigung, die er jedem gegenüber empfand, sondern der Hass, den Yami sonst nur Ryo gegenüber hegte. Niemand hatte es verdient weiterhin das Leben für sich zu beanspruchen, der ihn so demütigte. Niemand...
Yami stützte sich mit dem Rücken gegen die Wand und richtete sich schwankend auf. Seine Augen waren fest auf Bokka fixiert, der nicht sah wie Yami allmählich wieder zu Kräften kam und seine Augen von einem tiefschwarzen Schatten überzogen wurden.
Auch als sich Yamis Hand linienförmig an seinem Rückgrat vorbei, durch seine Innereien, hinaus aus seiner Bauchdecke bohrte spürte Bokka den Schmerz erst einige Sekunden später.
Als wenn er noch nie eine Wunde gesehen hätte berührte Bokka vorsichtig die zerfetzte Haut an seinem Bauch. Seine Augen weiteten sich und er schien völlig neben sich zu stehen, nicht in der Lage diesen Moment zu verarbeiten.
Die Zigarette fiel qualmend zu Boden und erlosch in den frischen Bluttropfen, die von Bokkas Fingerspitzen herab regneten.
Dann, wenige unendlich erscheinende Sekunden später, kippte Bokka vorne über und ließ Yamis Hand wie von selbst wieder hinaus gleiten.
In diesem Augenblick war es für Yami mehr als nur Genugtuung Bokka regungslos und mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck auf der Erde liegen zu sehen.
Zum Einen hatte er das Schicksal aller gezeigt, die sich auf Yamis Kosten amüsieren würden und zum Anderen, und das überraschte Yami selbst: Er war bei vollem Bewusstsein geblieben.
In solchen Situationen hatte er sonst immer das Gefühl gehabt fremdgesteuert zu werden, irgendeine Gestalt übernahm ihn und seine Wahrnehmung, lenkte seinen Körper und verdrängte sein Ich in eine dunkle Ecke seines Geistes. Hinterher durfte er dann das Ergebnis begutachten, welches er in seiner Abwesenheit hinterlassen hatte.
Er hatte es nie sonderlich gemocht, wenn das passierte, aber andererseits verlieh es ihm Macht, denn er konnte sich nicht daran erinnern jemals verletzt worden zu sein, nachdem er wieder klar denken konnte.
Jahre hatte Yami damit verbracht diese Macht zu kontrollieren, doch nie war es ihm gelungen. Und er wusste auch nicht, wieso er es auf einmal konnte.
Er betrachtete seine blutverschmierte Hand. Vielleicht war es ein einmaliger Zufall, vielleicht war es Glück. Aber Zeit darüber nachzudenken hatte er nicht. Yami konnte nicht einschätzen, wie lange er diesen Zustand noch halten könnte, aber er wusste, dass er diesen Wink des Himmels nicht so einfach verschwenden würde.
Ryo dürfte noch nicht weit gekommen sein und es bestand eine wage Vermutung, wohin sein Weg führte.
Beseelt von dem Gedanken, dass er endlich die ersehnte Rache üben konnte, bewegte Yami sich in die Richtung, in die Ryo und Yamato zuletzt gegangen waren.
Doch minutenlang war bis auf die flackernden Schatten der an den Wänden hängenden Fackeln keine Regung in den dunklen Gängen zu erkennen.
Als er sich jedoch einem Verließ aus Stein näherte fühlte er eine Präsens. Sein gesuchtes Opfer war es nicht, dafür wirkte dieses Objekt zu stark.
Um sicher zu gehen, keinen unnötigen Kampf einzugehen, presste er seine rechte Schulter gegen die Wand und verschmolz allmählich mit der Dunkelheit, schlich sich dann langsam an die Gefängniszelle heran und riskierte einen Blick hinein.
Zuerst sah es so aus, als wäre sie leer gewesen, doch dann vernahm er eine kaum erkennbare Veränderung des Schattens ganz hinten in der Ecke.
Yami konzentrierte sich auf diesen Punkt und bei näherer Betrachtung konnte man eine junge Frau mit rotem langen Haar erkennen.
Er hob das Jutsu auf und die Dunkelheit gab ihn Stück für Stück wieder frei. Eine direkte Gefahr stellte sie nicht dar. Nicht in dieser Zelle und nicht in ihrem momentanen Zustand.
Wahrscheinlich war sie auch nur eine der 'Auserwählten', die die Organisation hierher verfrachtet hatte, um einige davon auszusondern.
Für sein Vorhaben war sie jedenfalls nicht relevant, also würdigte er sie nur einen kurzen Blick und ging dann weiter den dunklen Gang hinauf.
Vermutlich würde er noch weiteren Gestalten begegnen, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Aber auch sie würden ihn nicht interessieren, sofern sie sich ihm nicht in den Weg stellten.
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