Twilight | Der kleine Vampir
Millionen von Teenagern auf der Welt können nicht irren! Während sich einem Großteil des erwachsenen Publikums die erotische Anziehungskraft bleich geschminkter Halbstarker entzieht, waren es die Jüngsten, die regelrechte hysterische Schübe anläßlich der DVD-Veröffentlichung und der Buchverflimung in den USA oder in England durchmachten. Die für die Folgeromane vor Buchläden campiert haben und sich nichts sehnlicher wünschen, als einen eigenen Robert Pattinson auf der Fensterbank, der sie beißen, küssen, aber ja nicht berühren darf. Deshalb sollte man als erwachsener Mensch vielleicht gar nicht versuchen, zu verstehen, was Teenager an der sparsamen ausgestatteten Lovestory zwischen bleich geschminkten Tokio-Hotel-Wiedergängern mit der gewagten Frisur so fasziniert. Denn erklären läßt sich der Erfolg von Buch- und Filmvorlage allenfalls für die USA. Autorin Stephenie Meyer ist nämlich Mormonin und damit strikte Gegnerin von u.a. vorehelichem Sex und gleichgeschlechtlicher Ehe.
In einem Land, in dem der Kreationismus und Mainstream gehört, Teenager millionenfach “Jesus Camps” besuchen und ihr zölibates Bekenntnis auf T-Shirts zur Schau tragen, kommt so was bestens an. Weshalb Filme und Bücher der Marke “Twilight” auch von einflußreichen christlichen Lobbys protegiert werden und einem George Bush Jr. wahrscheinlich Tränen der Rührung ins Gesicht treiben. Nur: In Deutschland mit seinem Dr. Sommer, Promlemteenies und Kirchenaustritten ist so eine Basis eigentlich nicht gegeben. Weshalb es wohl einfach cleverem Marketing, exaltierten Teeniepostillen und Robert Pattinson zu verdanken ist, das die Mischung aus Highschoolmärchen, “Romeo & Julia” und der “Der kleine Vampir” plötzlich auch hierzulande ein Millionenpublikum gefunden hat.
Nicht zu vergessen Bill Kaulitz, der künstliche Bleichgesichtigkeit, auftoupierte Haarpracht und Androgynität mit Tokio Hotel schon vor Jahren populär gemacht hat. Aber was passiert, wenn sich Abermillionen von Teenagern an Bella und ihre über mehrere Bände ( und wohl auch Filme ) praktizierte Abstinenz halten? Entweder der Geburtenrückgang fällt in Zukunft noch dramatischer aus oder aber die Anzahl an Eheschließungen nimmt exponentiell zu. Solange die weltweite Teeniegemeinde glücklich ist, soll’s uns recht sein. Hauptsache, eine Subkultur wie jene, welche dieser Tage erscheinende Dokumentation “Vampires in the Twilight” ( KNM, ab 10.06 ) beleuchtet, bleibt uns in größerem Umfang erspart.
“Twilight – Biss zum Morgengrauen” ( Concorde ) erscheint am 10.06. auf DVD und Blu-ray und wird sich auch hierzulande zum Heimkinophänomen ausweiten. Risiken und Nebenwirkungen sind beim Zielpublikum zwischen 10 und 15 nicht zu erwarten. Allen anderen empfehlen wir als Antidot Coppolas “Dracula” ( Sony ), den jüngst erschienenen “So finster die Nacht” ( Ascot ) und den großartigen “30 Days of Night” ( Concorde ).
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