Wenn sich auch in den letzten Jahren die Sitten und Gewohnheiten des Japaners, vor allem des Städters, jenen des Westens angepasst haben, so sollte man als ausländischer Besucher doch zumindest jene japanischen Sitten kennen, die einen unumstößlichen Bestandteil japanischer Höflich- keit darstellen. Viele japanische Umgangsformen sind den westlichen entgegengesetzt. Dies zeigt sich u. a. bei den Frauen, die zwar dem Buchstaben des Gesetzes nach den Männern gleichberechtigt sind, aber keinerlei Vorrechte genießen. So verbeugt sich die Frau zuerst vor dem Mann, sie hilft ihm in den Mantel, hält ihm die Tür auf usw. Japanische Frauen leben verhältnismäßig zurückgezogen. Deshalb spielen Frauenfreundschaften eine große Rolle im alltäglichen Leben. Nur junge Japaner gehen mit ihren Ehefrauen aus. In ländlichen Gemeinden, aber auch in "besseren Kreisen", ist es teils noch Sitte, dass die Eltern (oder Vermittler) den Ehepartner für die heiratsfähigen Kinder aussuchen. Höflichste Form des Grußes ist die Verbeugung. Wenn einem nicht die Hand entgegengestreckt wird, sollte man dies als Ausländer nie selbst tun. Jüngere Leute und Frauen verbeugen sich zuerst.
Die Feinfühligkeit und Höflichkeit des Japaners wird von westlichen Besuchern zu Unrecht oft als unaufrichtig empfunden. Die japanische Höflichkeit verbietet ihm, den Gast durch Widerspruch zu verletzen. Aus den gleichen Motiven wird der Japaner dem fremden Gast immer mit einem Lächeln begegnen. Er lächelt auch dann, wenn er etwas Trauriges oder Unangenehmes mitteilen muss. Man darf dieses Lächeln dann nicht missverstehen. Für den Japaner ist das Lächeln immer das "angenehme Gesicht" , das aus Rücksichtnahme auf den Nächsten gezeigt wird. Die Japaner leben eng gedrängt auf relativ kleinem Raum zusammen. Alleinsein und der Begriff "privat" sind vielen fremd. Aus diesem Grunde haben sie eine für den westlichen Besucher fast unglaubliche Rücksicht- nahme und Geduld -entwickelt. Wer ungeduldig ist, "verliert sein Gesicht". Man sollte auch als Gast nie seinen persönlichen Ärger durch Gesichtsausdruck verraten. Gefühlsausbrüche sind immer unangebracht. Ein Japaner spricht nie von sich selbst. Man sollte ihn auch nie mit eigenen Problemen belästigen. Er ist den Schwächen und Sorgen der anderen gegenüber vollkommen blind, taub und stumm. Diese Grundregel für den Umgang in der Gesellschaft wird bildhaft ausgedrückt durch die drei Affen von Nikko: Nichts Unangenehmes sehen, nichts Unangenehmes hören, nichts Unangenehmes sagen.
Japanische Männer genießen gern die Freuden des Alkohols. Im Kreise von Einheimischen - etwa in Bars oder Bierhallen - wird man oft die Erfahrung machen, dass Japaner schon nach wenig Alkoholgenuss die "Lotosfarbe" (gerötetes Gesicht) annehmen.
Viele junge Japaner sind von der Spielleidenschaft besessen. Das zeigt sich in den für europäische Begriffe unvorstellbar vielen Spielautomaten- Hallen, die es in allen Städten gibt. Dort sieht man die Japaner vor dem "Pachinko", einem Glücksspielautomaten, der vom Spieler per Daumen- hebel oder Reglerknopf ein wenig zu beeinflussen ist.
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