Reportagecomics. Dokumentarische Comics. Comicbiographien

6. Jährliche Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung

11.-13. November 2011, Universität Passau
Lokale Organisation: Prof. Dr. Thomas Knieper

Anmeldeschluß ist bereits der 31. Juli 2011

Materialien zum Download gibt es auf der Seite: http://www.comicgesellschaft.de/?page_id=1406
(Plakat, Anmeldeflyer, Tagungsprogramm, Anmeldung zur Tagung, Unterkunft: Zimmerkontingente)

Eine Reportage ist eine journalistische Darstellungsform, die u.a. durch eine persönliche Augenzeugenschaft, die Veranschaulichung der Sachverhalte durch konkrete Personen und deren Schicksale sowie eine subjektive Zusammenfügung und Beschreibung des Erlebten geprägt ist. Sie thematisiert die Ergebnisse einer journalistischen Recherche. Dokumentationen haben hingegen den Anspruch lebensweltliche Erfahrungen möglichst originalgetreu wiederzugeben. In gewisser Weise steht die systematische und authentische Erschließung von Information im Vordergrund. Eine Biographie wiederum darf man als eine den Fakten und der Objektivität verpflichtete Lebensbeschreibung einer Person auffassen. Werden die biographischen Fakten hingegen kreativ ausgeschmückt, muss man vom biographischen oder historischen Roman sprechen.
Die spannende Frage ist nun, inwieweit man diese Ausprägungen auch im Comic vorfindet. Etwa Anne Frank (Ernie Colon / Sid Jacobson), Barfuß durch Hiroshima (Keiji Nakazawa), Blankets (Craig Thompson), Cash – I see a darkness (Reinhard Kleist), Castro (Reinhard Kleist), Footnotes in Gaza (Joe Sacco), Haarmann (Peer Meter / Isabel Kreitz), Held (Felix Görmann a.k.a. Flix), Mädchen (Felix Görmann a.k.a. Flix), Maus (Art Spiegelman), Palestine (Joe Sacco), Persepolis (Marjane Satrapi), Sag was (Felix Görmann a.k.a. Flix), The Year of Living Dangerously (Ted Rall / Pablo G. Callejo) und viele andere Comics thematisieren Biographien, private Erlebnisse oder eigene Erfahrungen und schmücken diese bisweilen sehr schillernd aus. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Comics? Wann darf man bei dieser Art von Comics von Journalismus sprechen? Mit welchen journalistischen Stilformen wird gearbeitet? Wird hier ein neues Genre begründet? Entwickelt sich hier eine eigene Form der Narration? Wird hier die Tradition des Reporters mit dem Zeichenstift erneut belebt? Wie ist etwa das Verhältnis zur Reportage-Fotografie, zum Dokumentarfilm oder zum biographischen Roman zu beurteilen? Was ist die intendierte Aufgabe und Funktion der eingesetzten Stilmittel? Worin besteht die tatsächliche Wirkung?


Fragen aus diesem Spektrum diskutiert die 6. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung.

Tagungsprogramm:

FREITAG, 11.11.2011

13.00 – 13.30 Uhr Begrüßung


13.30 – 15.00 Uhr Reportagecomics. Dokumentarische Comics. Comicbiographien – eine Annäherung

• The various modes of documentary comics • Pascal Lefèvre
• Reportagecomics – Ein Arbeitsgegenstand für Kunst, Journalismus und Kommunikationswissenschaft • Randy Duncan
• Autobiografie und Archivierung im Gegenwartscomic • Lisa Schöttler


15.30 – 17.00 Uhr Reportagecomics und das politische Zeitgeschehen

• Neues aus Berserkistan. Eine Analyse von Zeitgeschichte durch die Brille der
Doonesbury Comics • Michael Freund
• Tendenzen der Politisierung im US-amerikanischen Mainstream-Comic nach 2001 • Lars von Törne
• Che, Evita und der antiimperialistische Kampf. Die politischen Comics von Héctor Germán Oesterheld • Helmut Kronthaler


17.15 – 18.45 Uhr Das Verhältnis von Text und Bild

• Der erste Weltkrieg in einer Bild-Text Erzählung – The Patriot’s Progress von Williamson/Kermode • Detlev Gohrbandt
• »Drüben, da war mal was«: Kindheitserinnerungen an die DDR im Comic • Rüdiger Singer
• Die Darstellung des Körpers in Zeit und Raum in den autobiografischen Migrationserzählungen des Sammelbandes »Paroles sans papiers« • Elisabeth Klar


SAMSTAG, 12.11.2011

9.00 – 10.30 Uhr Authentizität im Comic

• »Reality beats out surrealism every time!« – Realitätseffekte reconsidered • Hans-Joachim Hahn
• Authentizitätsfetisch und Komik. Autobiografie und Dokumentarismus im Comic • Jan-Frederik Bandel
• »Wie befriedigend es ist, auf einer weißen Fläche Spuren zu hinterlassen.« Über das lebensgeschichtliche Erzählen im Comic • Christian Heuer


10.45 – 12.15 Uhr Fiktion und Dokumentation – Objektivität im Comic

• A Work of Fiction: Strategien des Authentischen in Jason Lutes’ Berlin • Björn Laser
• Die Problematik des »objektiven« Berichts. Der Fall des Nahostkonflikt-Comics. • Catherine Michel
• Reportagecomics in der Frühen Neuzeit? Von den Ursprüngen des Bildjournalismus ∙ Thomas Weißbrich


13.15 – 14.45 Uhr Trauma und Erinnerung

• Trauma-Erinnerung-Montage: Das poetologische Verfahren der Vergegenwärtigung individueller und kollektiver Traumata in den Texten W.G. Sebalds und in den Comics Jacques Tardis und Art Spiegelmans • Ute Friederich
• Zwischen Ich und Wir: Erinnerungen des libanesischen Bürgerkriegs im Comic • Anna Gabai
• Auf der Suche nach dem verlorenen »Le Reel« • Andreas Heimann


15.00 – 16.30 Uhr Strategien zur Darstellung des Nicht Darstellbaren

• Unerzählbares erzählbar machen – Trauma-Narrative in der Graphic Novel • Kalina Kupczynska
• It’s a bird … – Facing trauma through mythology • Markus Oppolzer
• Katastrophen im Comic – zur Darstellbarkeit des Undarstellbaren: Sid Jacobsen/Ernie Colón 9/11-Report (2006) und Josh Neufeld A.D.: New Orleans after the Deluge (2009) • Jan Roidner


17.00 – 18.30 Uhr Autobiographie und die Identität des Künstlers

• Künstlerbiografien. Zugänge zum Kunstverständnis • Dietrich Grünewald
• Das Selbst in Bildern. Zur Konstruktion von Identität in „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ von Ulli Lust • Mona Koch
• Inside Moebius. Imagination als Autobiografie • Martha Zan
• Madame Bovary und das »Beast«: Weibliche Künstlerschaft im Spannungsfeld von Intertextualität, Metalepse und Authentizität • Britta Madeleine Woitschig


SONNTAG, 13.11.2011

9.00 – 10.30 Uhr Der Comic und die Auseinandersetzung mit dem Holocaust

• Dokumentarische Präzesion und die Lücken des Comics: Art Spiegelmans Auseinandersetzung mit der Sho’ah in Mouse • Peter Herr
• Tierische Tatsachen. Zur Verschränkung von Schicksal und Charakter im Tier-Comic • Daniela Kaufmann
• Wie ist die Darstellung des Warschauer Ghettos im Comic möglich? • Hannelore Greinecker-Morocutti


10.45 – 12.15 Uhr Adaption journalistischer und biografischer Formen als Stilmittel

• Kriminalfälle im Comic. Die »Serienmörder«-Trilogie von Peer Meter • Juliane Blank
• Das Auge der Polizei. Kriminalreportage im Comic • Jens Meinrenken
• Die Reportage des kleinen 20. Jahrhunderts: Hergés Biographie eines Hundes • Ole Frahm


12.30 –14.00 Uhr Spezifische Aspekte der Comicforschung

• Narrative Inszenierung von Wissen am Beispiel der Graphic Novel »LOGICOMIX« • Heinz Hiebler
• Biografische Mangas am Beispiel Einsteins • Freddy Litten
• »I consider myself doing reportage, reporting to my fellow man what I see.« Will Eisner – Der »Spirit« New Yorks • Jennifer Willms