DAS PROJEKT NICHIMANDOKU
Nicht zuletzt die aktuellen tragischen Ereignisse in Japan haben uns bewogen, die Planung der COMIX-Ausgaben ab April 2011 umzustellen. Wir werden jetzt in den nächsten Monaten das sehr interessante Projekt "Nichimandoku" des Goethe-Instituts Tokyo dokumentieren.
Nichi = Japan + Man = Manga + Doku = Deutschland. Unter diesem Namen haben sich seit Ende Januar die japanische Manga-Zeichnerin Matsuoka Waka und der deutsche Comic-Künstler Dirk Schwieger darüber ausgetauscht, was als „deutsch” und „japanisch“ in ihren Kulturen gilt und wie stark diese Bilder von Medienerfahrungen geprägt sind. Seit dem Erdbeben vom 11. März aber werden gesellschaftliche und globale Dimensionen des persönlichen Alltags sichtbar, die sich zuvor kaum ansprechen ließen.
Dieser Bruch, was ihm vorausging und welche kulturspeizifischen Reaktionen er bei den beteiligten Zeichnern bewirkt, das kann nun parallel zur Online-Version auch in einer gedruckten deutschen Fassung in COMIX ab der Ausgabe 04/2011 verfolgt werden. Jeweils zu Wochenbeginn stellt das Goethe-Institut Tokyo eine neue Doppelseite ins Netz. Und jeweils im Folgemonats bringt COMIX dann die Seiten des Vormonats, nachdem in der April-Ausgabe eine extra lange Strecke mit einem Wende-Cover erschien. Zu diesem ganz speziellen Doppel-Cover haben wir uns entschieden, weil wir den Blog in japanischer Leserichtung nachdrucken. Deshalb sind die Seiten vom Backcover an auch zur Heftmitte hin "rückwärts" nummeriert. Denn der Comic muss von rechts nach links gelesen werden – sowohl was die Seiten anbelangt, als auch die Panels auf der Seite und die Texte in den Panels!
Anlass für das außergewöhnliche "Nichimandoku"-Projekt ist ein Jubiläum, das auf den Freundschafts- und Handelvertrag zurückgeht, den Preußen und das Shogunat im Januar 1861 schlossen: 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen. Doch davon weiß auch in Japan nur eine Minderheit. Um also nicht bloß Deutschlandfans und Deutschlerner, sondern ein breiteres, möglichst junges Publikum zu erreichen, regte Botschafter Stanzel einen Comicblog an. Für die deutsche Seite empfahl er Dirk Schwieger, dessen "Moresukine" (http://tokyoblog.livejournal.com/; Buch bei Reprodukt 2007) er als Einführung für Japanneulinge schätzt.
Mit der Projektleitung im Allgemeinen und der Suche nach einem japanischen Künstler im Besonderen wurde Jaqueline Berndt, Professorin für Manga/Comics-Theorie an der Kyoto Seika University (KSU), beauftragt. Letztlich fiel die Wahl auf die Shōjo-Manga-Zeichnerin Matsuoka Waka. Ihre niedlichen Charaktere und ihr technisch bestechendes Seitendesign wirkten „typisch japanisch“, und tatsächlich erleichtern sie Manga-Lesern den Zugang zum unvertrauten Stil und Problemdenken eines alternativen Zeichners wie Dirk Schwieger. Von Juni bis August wird die mangageschulte Christina Plaka seinen Part übernehmen, und während der letzten Wochen bis zum Auslaufen des Blogs im Oktober 2011 wechseln sich die drei beteiligten Zeichner/innen dann ab. Falls es gelingt, sie wie vor dem Erdbeben geplant am Kyoto International Manga Museum zu einem abschließenden Workshop zusammenzubringen, wird das Projekt mit einer Kollektivarbeit zu Ende gehen.
Ein Hinweis für deutsche Comic-Leser:
Ursprünglich sollte sich "Nichimandoku" ausschließlich an Japaner richten. Deshalb wird der Leserblick von rechts nach links über die Seiten geführt. Im Japanischen lässt sich Schrift aber nicht nur vertikal, sondern auch westlich-horizontal in der Links-Rechts-Abfolge anordnen. Dirk Schwieger nutzt diese Möglichkeit des Wechsels, um beispielsweise in der Folge vom 28. März 2011 einen grundlegenden Bruch anzudeuten. Wer sich für solche und andere Formentscheidungen interessiert, sei auf die japanischen Seiten verwiesen. Die Online-Version von "Nichimandoku" wird vom Goethe-Institut Tokyo auf einer eigens dafür eingerichteten Seite veröffentlicht (http://blog.goethe.de/nichimandoku/). Der Wochenrhythmus erlaubt fürs Deutsche nur Rohübersetzungen, die Form des Blog aber Kommentare. Nicht zuletzt auch Fragen an Frau Matsuoka sind mehr als willkommen, ob nun auf Deutsch, Englisch und/oder Japanisch.
Die Honorare sollen übrigens vollständig gespendet werden. In der Mai-Nummer von COMIX und auch hier im Forum werden wir konkretisieren, für welches Manga-bezogene Projekt auch von allen Lesern Spenden willkommen sind.
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