Romanhelden?
Einer der langlebigsten wurd ja dieses Jahr "verfilmt", obwohl man das so eigentlich gar nicht nennen kann.
Denn was da vor ein paar Monaten unter dem Namen "Jerry Cotton" über unsere Kinos kam, war so ziemlich der schwächste deutsche Film, den ich seit langem gesehen habe.
Dass er praktisch nichts vom Geist der Romanvorlage an sich hatte ist die eine Sache,
aber auch als eigenständige Komödie funktionierte dieses Werk leider gar nicht,
trotz sonst eigentlich brauchbarer Leute wie den beiden Christians in den Hauptrollen.

Da müsst Ihr jetzt durch und versteht es bitte als Warnung (denn die DVD kommt ja auch bald ins Angebot):





Jerry Cotton
krimikomödie, d 2010
regie: cyril boss & philipp stennert
cast: christian tramitz, christian ulmen, monica cruz, christiane paul,
heino ferch, moritz bleibtreu, u.a.
spielzeit: 100 min.
bewertung: 2/10




Auf der Suche nach zur Parodie geeigneten, teutonischen Popkulturbeiträgen mit Nostalgiefaktor wird es nun zunehmend abstruser. Während noch fast jeder irgendeine Beziehung zu den Karl May- und Edgar Wallace-Schinken der 60er Jahre hatte und somit deren moderne Hommagen zu gewaltigen ("Der Schuh des Manitu") oder zumindest achtbaren ("Der Wixxer") Erfolgen gerieten, ist das beim FBI-Agenten "Jerry Cotton" sicher nicht mehr der Fall. Zwar erscheint die Endlos-Romanvorlage auch heute noch wöchentlich im Bastei-Verlag, ihre Glanzzeiten mit Traumauflagen hat sie allerdings schon lange hinter sich. Und die Verfilmungen, immerhin stolze acht an der Zahl, die standen schon in ihrer Entstehungszeit immer im Schatten anderer Reihen, und sie nicht zu kennen gehört nicht zu den unverzeihlichen Bildungslücken eines Cineasten. Wer die "Schüsse aus dem Geigenkasten" oder das "Dynamit in grüner Seide" nie gesehen hat, dem entging nicht viel mehr als eine Handvoll heute eher unfreiwillig komischer B-Movies des kleinen Bruders von James Bond, die sich daher auch nicht allzu stark ins kollektive Bewusstsein der bundesdeutschen Seele eingegraben haben.
Was macht man daher aus einer Vorlage, die heute kaum noch einer wirklich kennt und bei der daher der Wiedererkennungswert der parodierten typischen Merkmale äußerst gering wäre und auf die gewohnte Weise nicht funktioniert? Nun, man wählt die Radikalkur und entwirft von vornherein eine völlig neue und eigene Krimikomödie, die sich zwar dennoch "Jerry Cotton" nennt, mit den Abenteuern des so genannten "G-Man" aber so gut wie gar nichts mehr gemein hat, außer seinem mittlerweile anachronistischen roten Jaguar und einer "Smith & Wesson"-Pistole.

Und das liest sich dann so: Der bis dato tadellose und keimfreie Star des New Yorker FBIs, Agent Jerry Cotton (Christian Tramitz) gerät plötzlich unter Mordverdacht. Hat er aus persönlichen Motiven den Gangsterboss Sammy Serrano (Moritz Bleibtreu) erschossen? Die Vorgesetzten glauben das jedenfalls und setzen daher seine ehemalige Partnerin Daryl D. Zanuck (Christiane Paul) auf den Abgetauchten an. Der muss in seiner Not nun sogar auf die Hilfe des ihm kurz zuvor neu zugeteilten Partners Phil Decker (Christian Ulmen) zurückgreifen, einem frisch von der Akademie gekommenen, völlig unerfahrenen und äußerst redseligen Anfänger.



Das wär's dann im Prinzip auch schon in Sachen Handlung und dieses Gerüst wird mit wechselnden Fronten und Loyalitäten auf sehr anstrengende 100 Minuten ausgewalzt, obwohl im Grunde bereits nach den ersten zehn davon klar ist, dass das hier nichts mehr werden kann. Während Christian Tramitz im ähnlich angelegten, im Vergleich aber ein ganzes Stück besser gelungenen "Mord ist mein Geschäft, Liebling" als überforderter bayerischer Auftragskiller noch durchaus amüsant war, darf er als Jerry Cotton nun lediglich betont cool und lässig, aber nicht wirklich witzig sein, und über den völlig überzogenen Auftritt von Christiane Paul als hammerharte Femme Fatale hüllen wir mal besser den Trenchcoat des Schweigens.
Dazu holte man sich die Cruz, allerdings die günstigere Version mit Vornamen Monica und ihres Zeichens Schwester der großen Penelope. Die ist ansonsten eigentlich kaum schauspielerisch tätig und behält diese Grundeinstellung der Einfachheit halber dann auch hier bei. Die Krone setzt dem ganzen aber zweifellos die Figur des Phil Decker auf. Denn wo der im Original einfach nur die etwas farblosere rechte Hand des Titelhelden war, macht man daraus nun die typische Christian Ulmen-Figur, sprich den gutmütigen, aber etwas unbeholfenen und linkischen Tollpatsch. Selbstredend kann Ulmen darin sehr gut und lustig sein, doch hat man das erstens mittlerweile einfach schon zu oft von ihm gesehen und ist es zweitens einfach eine Komplettvergewaltigung dieser ja doch irgendwo "literarischen" Figur, der man dann doch besser einfach einen anderen Namen gegeben hätte.



Nun könnte man ja diese völlige Loslösung vom Vorbild durchaus tolerieren, da es sicher fraglich wäre, bei dieser Produktion ausschließlich auf das überschaubare Grüppchen als Zielpublikum zu setzen, die heute noch ihren "Jerry Cotton" goutieren und sich ob der hier gebotenen respektlosen Persiflage natürlich mit Grauen abwenden werden. Wenn, ja wenn das Ganze denn auf seine eigene Art irgendwie unterhaltsam und lustig wäre. Ist es aber eben nicht, sondern im Gegenteil eine extrem zähe und bemühte Veranstaltung, bei der sich nach 20 Minuten die Handlungsmuster und Wendungen einfach nur noch ständig wiederholen und bei der man die halbwegs brauchbaren Gags mit der Lupe suchen muss. Das Autoren- und Regie-Duo Boss & Stennert bewegt sich dabei ungefähr auf dem Niveau seiner "Pro Sieben-Märchenstunde", und die einzigen, die hier ihren Spaß haben werden sind wohl diejenigen, die diesen Hinweis tatsächlich als Empfehlung verstehen.

Es passt leider alles nicht zusammen, angefangen bei der Behauptung ein "Jerry Cotton"-Film zu sein, über die furchtbar flaue Story bis hin zu den chancenlos chargierenden Darstellern in ihren auf üblen Klamauk angelegten Rollen. Als einzig gelungenes Stilmittel mag noch die Entscheidung angesehen werden, genau wie bei den alten Filmen statt an Originalschauplätzen zu drehen einfach verschiedene deutsche Städte New York doubeln zu lassen. Was damals eine reine Budgetfrage war ist es heute vermutlich ebenfalls, geht jetzt aber zur Not auch als bewusst gewähltes Stilmittel der Marke "wenn Deutsche versuchen, möglichst amerikanisch zu sein" durch.
Da weiß man dann immerhin was das soll, in sämtlichen anderen Bereichen muss man sich dagegen fragen, warum und für wen bitte dieser Film gemacht wurde. Wenn die im Presseheft gegebene Antwort, dass halt der Tramitz beim Fotoshooting zu "Neues vom Wixxer" mit Anzug und Wumme so toll aussah, tatsächlich die einzige ist, dann braucht man sich über das nun vorliegende Ergebnis auch nicht mehr zu wundern. Die Macher scheinen sich solche Sinnfragen übrigens nicht zu stellen, denn die planen mit "Dr. Mabuse" bereits die nächste Wiederbelebung eines klassischen deutschen Kinostoffes. Wir freuen uns schon sehr.



Bilder: Courtesy of Constantin Film, Copyright 2010