Die Ausstellungen 2010 sehen so aus:

Zeitungs-Strips – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Der Comic genoss Ende des 19. Jahrhunderts allergrößte Popularität. In Form von großformatigen und farbigen Beilagen zu den amerikanischen Sonntagszeitungen zielte er insbesondere auf das Millionenheer der Einwanderer, die noch unsicher in Sprache und Gebräuchen der Neuen Welt waren. Insofern kann man im Zeitungs-Strip den Ursprung der heutigen Comics sehen. „Das Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre“ dokumentiert die aufregenden Pionierjahre und die späteren Entwicklungen sowohl in gedruckten historischen Originalexponaten, als auch in Originalzeichnungen der bedeutendsten Künstler aus 100 Jahren: Lyonel Feininger, Winsor McCay, Rudolph Dirks, George Herriman, George McManus, Hal Foster, Burne Hogarth, Milton Caniff, Walt Kelly, Tony Millionaire und viele andere. Erst in den letzten Jahren – nicht zuletzt durch den Erfolg von Volker Reiches „Strizz“ – erlebt der Zeitungs-Strip in Deutschland eine Wiedergeburt. Wesentliche Impulse für den deutschsprachigen Comic und seine Breitenwirkung sind daher in den letzten Jahren von den Strips in den Tageszeitungen ausgegangen. Dieser Entwicklung trägt der Internationale Comic-Salon 2010 mit einer Ausstellung Rechnung, in der die interessantesten deutschsprachigen Strips der letzten Jahre versammelt sind, darunter Arbeiten von Ralf König („Prototyp“, „Archetyp“), Flix („Da war mal was“, „Faust“), Volker Reiche („Strizz“), Mawil („Vom Leben gezeichnet“), Isabel Kreitz („Deutschland Comic“), ©TOM („Touché“) und anderen.

Geister und Mörder: Neue Graphic Novels aus Deutschland
Die zentrale Ausstellung im Großen Saal der Heinrich-Lades-Halle ist in diesem Jahr einem der aufregendsten deutschen Graphic Novel-Projekte der letzten Jahre gewidmet. Der Autor Peer Meter hat sechs Comic-Szenarios geschrieben, die von sechs deutschen Künstlerinnen und Künstlern zeichnerisch umgesetzt wurden: Barbara Yelin, Isabel Kreitz, David von Bassewitz, Gerda Raidt, Nicola Maier-Reimer und Julia Briemle. Drei Geschichten nähern sich auf ganz unterschiedliche Weise drei deutschen Serienmördern. In „Gift“ (Reprodukt, März 2010) begibt sich der Leser in die Zeit des Biedermeier und begegnet der Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried. „Haarmann“ (Carlsen Comics, Herbst 2010) erzählt die letzten Monate des wohl bekanntesten deutschen Serienmörders, der von 1918 bis 1924 in Hannover mindestens 24 junge Männer ermordete. In „Vasmers Bruder“ geht es um den wohl schockierendsten Serienmörder der deutschen Kriminalgeschichte, Karl Denke (1880–1924) aus dem schlesischen, nahe Breslau gelegenen Münsterberg. Nicht viel weniger düster sind die weiteren präsentierten Graphic Novels „Böse Geister“ (Raidt), „Ein chinesischer Affenhund“ (Maier-Reimer) und „Eine kleine Nachtmusik“ (Briemle). Ein Autor, sechs Zeichner – das sind auch sechs verschiedene Geschichten über die in Deutschland immer noch ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen Zeichner und Szenarist.

Nicolas Mahler – Jens Harder – Oliver Grajewski
Drei Einzelausstellungen präsentieren drei herausragende Comic-Künstler aus Österreich und Deutschland: Der Wiener Nicolas Mahler gehört zu den wenigen international gefeierten Zeichnern Österreichs. Seine umwerfenden Strips wie „Flaschko – der Mann in der Heizdecke“ wurden in verschiedenen Zeitungen gedruckt und – neben zahlreichen weiteren Titeln – überaus erfolgreich in Buchform veröffentlicht. Mahler ist nicht allein Zeichner skurriler Figuren, sondern auch Schriftsteller, Poet und Filmemacher. Der aus der Berliner Künstlergruppe Monogatari hervorgegangene Jens Harder brachte sein erstes eigenes Buch 2003 beim französischen Verlag Éditions de l'An2 heraus. Das 2004 mit dem Max und Moritz-Preis ausgezeichnete Album „Leviathan“, die Geschichte eines Pottwals, beinhaltet außer Textstellen von Herman Melville und Thomas Hobbes keinen Text. Das fast 400-seitige Opus „Alpha. Directions“ – ebenso zuerst in Frankreich publiziert und mit dem wichtigsten französischen Comic-Preis in Angoulême ausgezeichnet – erscheint pünktlich zum Internationalen Comic-Salon Erlangen auch in Deutschland (Carlsen Comics). Es ist der Auftakt zu einer mehrere Bände umfassenden Reihe über die Entstehung der Welt und die Geschichte und Zukunft der Menschheit.

Ein Grenzgänger zwischen Illustration, Comic und Bildender Kunst ist Oliver Grajewski. 1991 begann er sein Studium der Bildenden Kunst an der Hochschule der Künste Berlin in der Meisterschüler-Klasse von Dieter Appelt, 1994 studierte er am Chelsea College of Art and Design in London. Grajewski war Mitherausgeber des Magazins „Auseinander“, es folgten Ausstellungen in Berlin und Tokyo. Bereits seit 1995 veröffentlicht er sein eigenes autobiografisches Magazin „Tigerboy“, neben seinen freien künstlerischen Arbeiten ist er als Illustrator für Tageszeitungen, Magazine und Online-Medien tätig.

Frischer Wind aus Frankreich: Pascal Rabaté
Mit „Un ver dans le fruit“, 1998 mit dem „Preis der Kritik“ in Angoulême ausgezeichnet, wurde Pascal Rabaté einem breiteren Publikum bekannt. Seine Vorliebe für außergewöhnliche Themen, die er mit großer Finesse inszeniert, macht ihn zu einem der wichtigsten Zeichner des heutigen Bande Dessinée. Pascal Rabaté verbindet eine literarische Erzählweise mit charmanten und ausdrucksvollen Zeichnungen, die sich durch ihre Vielfalt, Gestaltungskraft und Dichte auszeichnen. Beeinflusst von Künstlern wie Buzzelli, Bofa oder Alexis bewegen sich seine Werke zwischen Realismus und Groteske. Seine literarische Adaption von Tolstois „Die Emigranten“ („Ibicus“) wurde von Publikum und Presse gleichermaßen hoch gelobt. Bemerkenswert ist auch seine sehr eigene Deutung der südafrikanischen Geschichte („Bienvenue à Jobourg“). In seinen jüngeren Arbeiten porträtiert Pascal Rabaté mit Vorliebe das ländliche Frankreich und überzeichnet liebevoll dessen Bevölkerung. So auch in seinem kürzlich in Deutschland erschienenen Album „Bäche und Flüsse“ (Reprodukt), das zeitgleich zum Internationalen Comic-Salon Erlangen in seiner eigenen Regie in die französischen Kinos kommt.

Mecki – 60 Jahre Comic-Abenteuer
„Das ist Mecki!“, verkündete 1949 die Titelseite von Heft 43 der Programmzeitschrift HÖRZU: „Äußerlich und innerlich gleichermaßen gutmütig, witzig und vielleicht stachelig. Prägen Sie sich sein Bild ein. Sie werden ihn von jetzt ab in jeder Nummer von Hörzu sehen …“. So entstand die bis heute langlebigste deutsche Comic-Serie, der das Wilhelm-Busch-Museum Hannover in diesem Jahr eine umfassende Retrospektive widmete und die im Rahmen des Internationalen Comic-Salons auch in Erlangen zu sehen ist. In der Ausstellung werden rund 200 Originalzeichnungen präsentiert, die sämtliche künstlerischen Perioden der wechselhaften und bis heute in steter Fortsetzung befindlichen Mecki-Historie abdecken, darunter auch die bislang unveröffentlichte letzte Geschichte des ersten Mecki-Zeichners Reinhold Escher.

Drei Mal Klassik: Faszination Western, Yakari und Milo Manara

„Jerry Spring”, „Blueberry”, „Comanche”, „Buddy Longway”, „Jonathan Cartland” … Kaum ein anderes Genre erfreut sich ähnlicher Beliebtheit im Comic, wie der Western. Junge Zeichner eifern den klassischen Vorbildern bis heute nach oder bedienen sich der Stilmittel des Genres als Zitat oder Persiflage. Die Ausstellung präsentiert eindrucksvolle Originale, unter anderem von Jijé, Jean Giraud, Hermann, Derib, Michel Blanc-Dumont, François Boucq, und zeigt gleichzeitig Beispiele für den Einfluss des Westerns auf andere Genres.

An der Comic-Serie „Yakari“ lässt sich der Unterschied zwischen kindlich und kindisch erkennen. Viele Comics für Kinder sind kindisch. Sie verwickeln ihre Helden in unglaubwürdige Abenteuer, füllen die Welt mit übermächtigen Wesen, die Wünsche erfüllen, und lassen Tiere als putzige, vermenschlichte Spielgefährten auftreten. Auch der Indianerjunge Yakari spielt mit Tieren. Er kann sogar mit ihnen sprechen. Doch diese Tiere verhalten sich so, wie sich Tiere in der Natur verhalten. Sie kämpfen um Nahrung, sie haben Angst, sie bedrohen einander. In einer Ausstellung für Kinder und Erwachsene werden zahlreiche Originale der beliebten Comic-Serie von Derib (Claude de Ribaupierre) und Job (André Jobin) gezeigt. Der vor allem durch seine erotischen Zeichnungen berühmte Milo Manara hat – auch in Zusammenarbeit mit Legenden wie Hugo Pratt oder Federico Fellini – Comic-Geschichte geschrieben. Anlässlich der deutschen Neuausgabe seines Gesamtwerks (Panini Comics), die Manara in Erlangen persönlich vorstellen wird, zeigt der Internationale Comic-Salon – nach einer umfangreichen Retrospektive im Jahr 1986 – nun Raritäten und seltene Originale.

Und das Wort ist Bild geworden – Über die Comics und das Religiöse
Gott ist nicht tot, die Götter sind es auch nicht. In den Diskursen der Welt sind sie so lebendig wie lange nicht. Auch im Diskurs der Comics zeigen sie eine auffällige Präsenz. Wenn der einst lästerliche Underground-Meister Robert Crumb die Genesis als erstes Buch der Bibel mit devoter Textgenauigkeit in Bilder setzt, dann bezeugt das die Virulenz des uralten Stoffes. Wenn der eigentlich ganz private Zeichner Ralf König sich plötzlich mit Sündenfall, Sintflut und dem Religionsstifter Paulus auseinandersetzt, muss ihn die Nachhaltigkeit der biblischen Geschichten in aktuelle Unruhe versetzen. Hat der neue Boom des Religiösen in der grafischen Erzählung mit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen begonnen? Eigentlich war der Kontakt zwischen Religion und Comics kaum je unterbrochen, seit Wilhelm Busch den Heiligen Antonius von Padua und die Fromme Helene auf die Feder gespießt hat. So ist das Wort, das Bild im Comic wurde, ein faszinierender Untersuchungsgegenstand.

Happy Birthday, Charlie Brown! Die Peanuts werden sechzig

Aus Charles M. Schulz’ Strip, der vor 60 Jahren in nur sieben Tageszeitungen debütierte, wurde die mit Abstand erfolgreichste Comic-Serie der Welt. Zuletzt erschienen die Peanuts in 2.600 Zeitungen und haben täglich 150 Millionen Leser erreicht. Schon 1967 feierte am Broadway ein jahrelang ausverkauftes Musical Premiere, es folgten über 70 Zeichentrickfilme und schätzungsweise 20.000 Merchandisingartikel. Viel erstaunlicher ist jedoch, auf welch gleichbleibend hohem Niveau und mit welcher grafischen Brillanz Schulz seinen Strip beinahe ein halbes Jahrhundert lang gezeichnet hat. Insgesamt 17.897 Strips hat er im Laufe der Jahre zu Papier gebracht, 15.391 Werktagsstrips und 2.506 farbige Sonntagsseiten. Das entspricht etwa 80.000 Einzelbildern. Und jeder Strich darauf stammt von Schulz selbst. Die Erlanger Ausstellung erzählt die Geschichte der Peanuts von ihren Anfängen an: Wie Lucy zu Charlie Browns Albtraum wurde, wie Linus, Peppermint Patty und Woodstock ins Spiel kamen. Wie Snoopy den aufrechten Gang erlernte und auf dem Dach seiner Hundehütte den Roten Baron ins Visier nahm. Wie Schulz seine unnachahmliche Kunst entwickelte, mit nur wenigen Strichen und zwei Punkten jede Gefühlslage seiner Figuren präzise auszudrücken. Und schließlich wieviel von ihm selbst in seinem Alter Ego Charlie Brown steckt.

Grenzgebiete – drüben! Kindheitserinnerungen zwischen Ost und West
Zwei junge deutsche Comic-Künstler haben im letzten Jahr autobiografisch motivierte Graphic Novels über ihre Kindheit in der DDR und ihre ersten Erfahrungen im Westen veröffentlicht: claire Lenkova, in Sachsen und Bayern aufgewachsen, erinnert sich, wie es war als Kind in der DDR. Sie erzählt, warum es zur Teilung kam und wie ganz langsam die Grenzen zwischen Ost und West überwunden wurden („Grenzgebiete“, Gerstenberg Verlag). In seinem für den Deutschen Kinder- und Jugendbuch-Preis nominierten Debüt „drüben!“ (avant-verlag) erzählt der Zeichner und Autor Simon Schwartz von der schwierigen Entscheidung seiner Eltern, Anfang der 1980er-Jahre die DDR für immer zu verlassen. Damit opponieren beide nicht nur gegen die allgegenwärtige Diktatur des Arbeiter- und Bauernstaates, sondern zwangsläufig auch gegen Teile ihrer eigenen Familien und ihrer Herkunft. Ab diesem Zeitpunkt sollte ihr einziger Sohn zwischen zwei deutschen Staaten aufwachsen.

Die Ausstellung ist eine Kooperation des Internationalen Comic-Salons mit dem Stadtmuseum Erlangen, in dem zeitgleich die Ausstellung „Sag, was war die DDR? Ein Geschichtsabenteuer für Kinder und Jugendliche“ gezeigt wird.

Weitere Ausstellungen

Außerdem beleuchtet eine Ausstellung mit deutschen Comic-Blogs die Digitalisierung der Comic-Welt, kehren mit der Duckomenta in den „Erlangen Arcaden“ die „Interducks“ nach Erlangen zurück, gewähren e Studenten der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg unter dem Titel Fremdheit in Text und Bild Einblicke in ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit, präsentieren Felix Mertikat und Benjamin Schreuder von der Filmakademie Baden-Württemberg Jakob – ein Comic-Märchen, zeigt das Kunstmuseum Erlangen künstlerische Comics und Cartoons von Maximilian Baumer, Kevin Coyne, Cornelia Effner, Thomas Hart, Wolfgang Herzer, Sam Mondon und Heike Pillemann, gibt es bei der Ausstellung des Comic-Zeichner-Seminars neue Talente zu entdecken, werden die besten Arbeiten des Comic-Wettbewerbs von cinearte zum Thema Comic und Kino zu sehen sein und versammelt das lettische Comic-Magazin „kuš!“ in Zusammenarbeit mit dem Lettischen Zentrum für zeitgenössische Kunst einige der wichtigsten internationalen Comic-Künstler in der kleinsten größten Ausstellung der Welt – The Last Match ...