Alfred Döblin (Berlin Alexanderplatz)
@Regen, mein Engel
Wie lange hast du denn das Buch noch auf?
Durch dich angeregt, erinnterte ich mich nämlich, daß dies eines meiner Seit-Längerem-Warteliste-Bücher ist. Und hab es mir jetzt für 5 € gekauft. Damit können wir es nun gemeinsam lesen, da so die Diskussion fruchtbarer wird.
(Da bei Kindler im Zusammenhang mit "Berlin - Alexanderplatz" auf Joyce und die USA-Trilogie von John Dos Passos verwiesen wird, hab ich mir die auch gleich noch mit besorgt. Joyce hab ich ja schon. Bin also für internsive Mithilfe ausgestattet :D )
Inhalt
Zitat:
Alfred Döblins "Geschichte vom Franz Biberkopf" ist der deutsche Großstadtroman von weltliterarischem Rang. Schauplatz ist das Berlin der zwanziger Jahre - mit seinem Menschengewühl, seinem Straßenlärm, seinem Häusergewirr. Schnoddrig und sentimental, durchsetzt mit biblisch-apokalyptischen Bildern, erzählt Döblin von dem aus der Strafanstalt entlassenen Transportarbeiter, der als ehrlicher Mann ins Leben zurückfinden will. Die Stadt selbst wird zum Gegenspieler des gutmütig-jähzornigen Biberkopf, der dieser verlockenden, aber unerbittlichen Welt zu trotzen versucht.
von: amazon.de
Gedanken aus dem heutigen NST
Zitat:
Original von Theoretiker
hallo Regen, mein Engel
Hab gestern abend angefangen zu lesen. Bin gerade am Ende des 2. buches.
Wann kommen denn die stellen, die dir nicht gefallen haben?
Zitat:
Original von Regenengel
Hm. Also am Anfang musste ich mich halt erst mal reinlesen, das ist mir verdammt schwergefallen. Das alles hat irgendwie noch keinen wirklichen Sinn gemacht, die Montagetechnik war mir völlig unvertraut und ich fühlte mich genau wie Franz am Anfang wohl auch... aber Sympathien hat Franz Biberkopf trotzdem nicht gerade in mir geweckt (von wegen "war ja nur Totschlag" und anderen "netten" Szenen -.-). Die Krönung war dann die Schlachthofszene (3. Buch). So was lese ich einfach nicht gern :dead: (Bei der Tötung Idas habe ich es nicht als ganz so extrem empfunden, obgleich die Tatsache, dass ich mir bei "Njutens" ein Lachen nicht verkneifen konnte, im Grunde erschreckend genug ist. Das hat er schon genial gemacht, der Döblin...).
Zitat:
Original von Theoretiker
Franz ist auch nicht als uneingeschränkter Sympathieträger gedacht. (siehe Besuche bei seiner Schwägerin)
ich mochte vor allem, den monologischen erzählstil, den Soundtraeck (zu jedem gedanken das passende lied) und solche schönen Kniffe, wie ein Lexikonartikel über Impotenz in der Szene des Prostituiertenbesuchs.
Zitat:
Original von Regenengel
Ja, das ist mir auch schon aufgefallen :D . Ich habe (u.a.) auch auf eben diese Szene mit Minna angespielt. Aber wenn man dann Reinhold kennen lernt, ist Franz auf einmal ein ganz lieber Junge dagegen *grins*. (Mag ihn aber trotzdem nicht :rolleyes: )
Ja, der Erzählstil ist allererste Sahne. Manchmal sitzen wir ne Stunde lang da und diskutieren, ob das der Erzähler oder Franz oder wer ganz anders (kommt am Ende z.T. raus) ist, der da "spricht" und aus wessen Sicht und zu wem usw. Aber wenn man sich mal überlegt, dass Döblin in einer seiner (vielen, immer wieder sich selbst korrigierenden und widersprechenden) Romantheorien als Erzähler ganz zurücktreten und das Geschehen nicht mehr berichten, sondern zeigen wollte, und sich dann den Prolog und die "Vorreden" anguckt... *grins*. Aber auch so schaltet sich ja immer mal wieder der Erzähler ein...
Zitat:
Original von Theoretiker
Ich glaube es gibt sowas wie einen religiösen Roten faden im Buch (ist aber noch ne Theorie)
Am Anfang wird die Welt geschaffen (er wird gewissermaßen hineingeworfen) und er setzt sich mit den Juden auf den Fußboden, "wo er sich nicht mehr wegbewegen will". Dann kommt die Adam und Eva Szene. Am ende kommt die Hure Babylon aus der offenbarung. (nur die einflechtung Ester & Morderchais will noch nicht ganz passen) Aber ähnliches haben wir bei Ullysses, der nicht nur wie die Odyssee, sondern auch wie eine katholische Messe aufgebaut ist.
Dieses prinzip der versteckten Handlungswidergabe durch einen Artikel haben wir schon bei tommys buddenbrooks sehr schön: Statt Hannos Tod haben wir erst die verschlechterung seines gesundheitszustandes, dann ein Kapitel über den Typhus.
Zitat:
Original von Regenengel
Ja, er ist "am Boden", das Bild ist auch genial. Das Paradiesmythos zieht sich durch das ganze Buch, auch die Schlange kommt noch. Dann die Hiobparaphrase und Isaak und Abraham.
Wir haben bisher die Paradiesparaphrase immer so gedeutet, dass Franz sich naiv kindlich sein Paradies zurechtlegt bzw. notfalls die Störfaktoren gewaltsam aus dem Weg schafft. Sehr schön auch im 2. Buch gegen Ende zu sehen, als er sich mit den Kommunisten streitet. Wie er da immer "Ruhe und Ordnung" fordert und selbst am lautesten ist. Paradox.
Dann das Lied aus Hänsel und Gretel (wo genau müsste ich nachgucken, find's auf die Schnelle nicht leider), die Reime in den Erzählervorreden, Franzens Trotzreaktionen als kindliches Verhalten, seine Unmündigkeit und fehlende Selbstkritik (wie auch, wenn er der Selbstreflexion nicht mächtig ist, zu der aber ein Anstoß von außen nötig wäre, den er nicht zulässt).