Bestimmte Prinzipien der Animation sind hier eingesetzt, z.B. Sqash and Stretch (die Flexibilität des "Materials" der "Figuren"), die Animation des
"losen Fleisches" als Kategorie der Follow Through-Animation, d. h. die Verzögerung, die damit verbunden ist, dass das "Material" der Karrikaturen flexibler auf dem Skelett sitzt als bei realen Menschen.
Aber nicht nur in den Figuren, sondern auch in den Szenen zeigt sich diese Art von Humor. Die Szenen, in denen nur die Zwerge vorkommen, sind ganz anders aufgebaut. Es wird weniger eine Handlung vorangetrieben, sondern der Augenblick steht im Mittelpunkt (Tja, Slapstick eben). Die Zwerge hangeln sich von einer Aktion zur nächsten (z.B. die Rückkehr in ihr Haus, das Waschen). Eine Veränderung der Situation ist nur vorhanden, um die Aktionen zu verbinden.
Genau dasselbe gilt für die Waldtiere. Sie reagieren menschlich und sorgen auch für eine Menge Slapstick.
Die Menschen dagegen sind mit einer größeren Portion Realismus versehen. Sie haben reale Vorbilder (ein Tänzerpaar) und wurden mit Rotoskopie entwickelt. Bei der Hexe war es Walt Disney bekanntlich wichtig, dass sie realistisch wirkt und keine Karrikatur wie die Hexen in den Cartoons ist. Wenn die Menschen handeln wird meistens die Story vorangetrieben, eine Veränderung tritt ein. Sie bewegen sich normal und ihnen passieren nie solche Missgeschicke wie den Zwergen. Die Szenen sind düster, märchenhaft oder romantisch. Außerdem sind die Szenen, in denen nur Menschen vorkommen meistens humorfrei. Bevor die Waldtiere auftauchen passiert kein einziger Gag.
Genauso verhält es sich mit den Tieren. Die Tiere am Hof, das Pferd und die Taben (größtenteils zumindest) sind keine Cartoontiere wie die Waldtiere, sondern realistisch.
Schneewittchen tanzt zwar mit den Zwergen und spricht mit den Tieren, aber man wird immer über deren Reaktion lachen und nicht über Schneewittchen.
Das zeigt, dass hier der Humor genial verteilt ist und sowohl der Handlung als auch den Figuren angepasst ist.
Ich habe Schneewittchen gewählt, weil es der klassischste Disneyfilm ist und man es hier noch am deutlichsten sieht. In späteren Trickfilmen ist es genauso. In "Dornrösschen" sorgen die Tiere und die cartoonhaften Feen an bestimmten Stellen für Lacher und auch hier handert sich das Handlungsprinzip von Situation-Aktion-Situation zu Aktion-Situation-Aktion (wie bei den Zwergen), man bedenke die Szene, in der die Feen die Geburtstagsfeier für Dornröschen vorbereiten. Mit der Zeit hat es sich etwas vermischt, aber auch hier ist der Bwusste Einsatz von Humor noch zu erkennen.
Mulan erzählt eine düstere Geschichte mit sehr vielen tragischen Momenten. Dennoch kommt zwischendurch Humor vor. Mulan sorgt für den ein oder anderen lustigen Spruch mit ihrer Reaktion für einen Lacher. Der Schlagstock-Humor gehört aber noch wie vor den Karrikaturen: Mushu, dem Pferd, der Grille, den drei Kriegern. Mulan würde sich niemals im Holz festbeißen, wenn sie vom Stamm fällt.
Bei "Rapunzel" gibt es diesen bewusste und sparsamen Einsatz von Humor nicht mehr. Flynn fliegt wie durch die Luft, macht einen Tanz, den sonst nur Caroons tanzen würden (teilweise von Genie übernommen) oder wird von Rapunzels Haar "erschlagen", Rapunzel schwingt sich an ihrem Haar im Kreis. Außerdem gibt es jede Menge dieser Aktion-Situation-Aktion-Komik zwischen den beiden Figuren. Rapunzel versucht Flynn im Schrank zu verstecken und das misslingt ihr mehrmals oder Flynn und Maximus kämpfen um die Tasche. Es gibt keinen allzu großen Unterschied zwischen den Sidekicks und den Hauptfiguren. Es werden die Gags einfach aneinandergereiht.
Auch wenn es unbewusst ist, hat der Film Färbungen von anderen zeitgenössischen CGI-Komödien.
Oder anders ausgedrückt: Hätte es diese Szene mit der Bratpfanne in dieser Form auch bei "Dornröschen" geben können? Wenn Dornröschen soetwas machen würde, würde man doch sofort sagen, hier stimmt etwas nicht. Könnte man sich diese Art von Humor in einem Pixar- oder Dreamworksfilm vorstellen? Ich denke schon.
Zudem ist dieser Humor sehr einseitig, er besteht meistens aus Situationskomik und ab und zu aus einem lustigen Spruch. In klassischen Disneyfilmen gibt es durchaus vielseitigeren Humor. Die Tiere ahmen die Menschen nach, reagieren darauf, kommentieren sie, die menschlichen Karrikaturen überzeichnen Missgeschicke, die uns selbst alltäglich passieren, wodurch wir uns identifizieren können, Figuren sprechen lustig, spielen mit Sprache, etc.
"Rapunzel" hat zwar eine ernsthafte Grundhandlung, aber sie wird durch zuviel Humor verdeckt. Außerdem kommen einige disneytypische Elemente vor, aber das allein macht noch keinen Disneyfilm aus. Wer die richtigen Zutaten verwendet, kann noch lange nicht kochen, es kommt auch auf die feinfühlige Zubereitung an.