Mischa Teil 4 - Mischa im Tiefflug
Mischa Teil 4
Mischa im Tiefflug
Die Experimentierfreude im Hause Kauka kannte anscheinend keine Grenzen. Natürlich lag der Schwerpunkt bei den niedlichen Tierfiguren, die im Laufe der Jahre nach und nach ihr Aussehen veränderten und schließlich auf eine eigene Entwicklungsgeschichte zurückblicken konnten. Aber neben diesen besagten Funnies testete man auch sporadisch die sogenannten Realistics an, wie Winnetou oder „Das letzte Rennen des Grafen Trips“. Und schon sehr früh probierte man die sogenannten Semi-Funnies aus. In diesen Geschichten sind die Akteure wirkliche Menschen, die leicht karikiert wiedergegeben werden und sich in einer Welt behaupten müssen, die sich relativ streng an die für uns geltenden Naturgesetze hält. Zusätzlich hat der Autor von Semi-Funnies noch die Möglichkeit Fantasy-Elemente mit einzubringen. Allerdings muß er jedoch bei aller Flunkerei darauf achten, daß er die innere Logik der erzählten Geschichte erhält, um beim Leser glaubhaft zu bleiben. Das geschickteste und gelungendste Beispiel für diese gefährliche Gratwanderung ist das einmalige Fabeltier Marsupilami innerhalb der Spirou & Fantasio-Reihe, erdacht von dem Belgier Andre Franquin.
Der im Kauka-Kosmos fest etablierte Western-Comic Tom und Klein Biberherz zählt ebenfalls zu den Semi-Funnies. Diese Eigenkreation erdachte Walter Neugebauer und wurde lange Jahre von Vlado Magdic betreut. Dank des Engagements dieses Künstlers wurden die zwei ungleichen Blutsbrüder zu einer festen Größe im Fix und Foxi-Heft. Aber auch der Einfluß der bis in die 70er Jahre populären Westernwelle, meist propagiert durch Kino oder den zahlreichen Wild West Romanen, mit der Vielzahl an Ideen und Anregungen, gaben den Tom & Biber-Stories Impulse und sorgten für reichlich Abwechslung und letztendlich für den Erfolg. Das Science-Fiction Genre hingegen war zwar latent im Hintergrund vorhanden, trat jedoch nur sporadisch in Erscheinung.
Der Mischa-Comic war 1961, nach der Veröffentlichung der Seefahrergeschichten um Pitt Pistol von Goscinny und Uderzo, ein weiterer Versuch einen Semi-Funny in das Fix und Foxi-Heft einzubringen. Die schier unbegrenzten Möglichkeiten eine zukünftige Welt darzustellen schien genau das richtige für die FF-Leserschaft zu sein. Doch nach einer fast 4-jährigen Veröffentlichungsdauer mußte Mischa ab Anfang 1965 eine einjährige Pause einlegen.
Zu Beginn des Jahres 1966 wurden nahezu zeitgleich die drei klassischen Semi-Funnies des FF-Magazins in eben diesem Heft veröffentlicht. Der von der Schwesterzeitschrift Lupo modern/TipTop abgewanderte Comic Pit & Pikkolo manifestierte zu dieser Zeit seinen Ruhm in deutschen Landen und die Tom & Biber-Geschichten waren schon lange eine der beliebtesten Serien in dem Magazin. Nur Mischa befand sich auf dem absteigenden Ast. Am Eindrucksvollsten läßt sich dies mit dem Ergebnis einer Schmuckbildwahl unter den Lesern belegen. Im Fix & Foxi-Heft 580 (Januar ‘67) findet man auf Platz Eins Pit & Pikkolo (die zwei titelgebenden Füchse liefen außer Konkurrenz, da sie die Stars des ersten Schmuckbildes waren), gefolgt von Tom & Biberherz und schließlich auf dem vorletzten, dem achten Platz, landeten Mischa & Connie.
Für diesen Imageverlust waren wohl zwei Faktoren ausschlaggebend: Vordergründig der häufige Wechsel der Autoren, sprich Zeichner. Die besten und phantasievollsten Abenteuer um den sympathischen Raumfahrer hatte Walter Neugebauer zu verantworten. Bei allen anderen Künstlern fehlten die guten Ideen. Sie kamen meist über den Ansatz nicht hinaus und die Geschichten wirkten sprunghaft und uninspiriert. Dies lag wohl daran, weil sie sich nicht ausreichend mit der Figur beschäftigten. Während also Pit & Pikkolo und Tom & Biber über Jahre von einer festen Zeichnerpersönlichkeit betreut wurden, reichte man Mischa praktisch innerbetrieblich herum.
Ein weiterer Grund für den Niedergang dieser Science-Fiction Serie war, daß eine Milieu-Änderung, eingeleitet mit dem Geschichtenblock von Ludwig Fischer, erfolgte. Ein klar definiertes Umfeld, welches konstant innerhalb einer Serie vorhanden bleiben muß, ist eine wichtige Voraussetzung für die Wiedererkennung bzw. Charakterisierung einer Serie. Figur und Umfeld stellen eine geschlossene Einheit dar. Aber durch ein internes Merkblatt wurde, unter Beibehaltung der wichtigsten Charaktere, der Handlungsspielraum erweitert. Mischa sollte seine Abenteuer nicht mehr ausschließlich im solaren Sonnensystem im Kampf gegen irdische Gangster erleben, sondern nun in humoristischen Science-Fiction Geschichten fremde Welten entdecken und sich in bizarren Landschaften mit seltsamen Lebewesen behaupten. Doch leider waren Fischers Geschichten zu einfach gestrickt und wußten das enorme Potential, welches sich förmlich Anbot, nicht zu nutzen. Allerdings sorgte seine grafische Umsetzung dafür, daß seine Stories nachhaltig in Erinnerung blieben. Die statische Darstellung der Architektur einer außerirdischen Welt, überwiegend bestehend aus Dreiecken und Rauten, erweckte beim Leser den plastischen Eindruck einer fremden Kultur.
Fischer verfaßte insgesamt 74 Seiten mit den vier in sich abgeschlossenen aber inhaltlich verknüpften Abenteuern.
Der 1927 als Deutscher geborene Ludwig Fischer verlebte seine Kindheit und Jugend in Jugoslawien. Seine Vorliebe zum Comiczeichnen entwickelte sich schon in seiner Schulzeit. Bis 1944 nutzte er jede freie Minute zum Zeichnen und orientierte sich dabei an den amerikanischen Vorbildern wie Hogarth oder Raymond. In den 50er Jahren zeichnete er realistische Abenteuer-Comics, meist Science-Fiction Geschichten, für Belgrads größte Zeitung Politica, obwohl er bis dahin nie eine zeichnerische Ausbildung erfahren hatte. 1961 siedelte Fischer nach München um und bewarb sich erfolgreich bei Rolf Kauka. Dort wurde er nach einem Monat Probezeit übernommen und mit dem Schreiben von Texten betraut. Nach und nach zeichnete er dann Fix und Foxi-Geschichten mit seinem harten, eigenwilligen Strich. Doch Dank des Art-Direktors Walter Neugebauer, der die Zeichnungen leicht korrigierte, gelang es den einheitlichen Stil im Fix und Foxi-Heft weitgehend beizubehalten. Das Honorar lag zur damaligen Zeit noch bei DM 25,- pro Seite, von denen pro Tag zwei abzuliefern sind. Später wird das Honorar, nicht zuletzt wegen der Abwanderungswelle 1964 zu dem Max & Molly-Projekt, erhöht. Anfang der 70er Jahre zahlte Kauka dann pro Seite zwischen DM 150,- bis DM 190,-. Unter Peter Wiechmanns Redaktion kommt Fischer dann Mitte der 60er Jahre zur FF-Schwesterzeitschrift Lupo modern und entwickelt für ein älteres Publikum Lupo-Szenarien, die politische Parodien und Geschichten um damals prominente Persönlichkeiten zum Inhalt hatten. In diesen Stories, die er auch selbst zeichnerisch umsetzte, führte er neue Charaktere wie den Baron, Bruno oder Detektiv Holzauge ein. In diese Zeit fallen auch die vier Mischa Geschichten für das Fix und Foxi-Heft. Auch hier wird eine neue Figur entwickelt. Es ist Max, ein Freund von Mischa. Die verwendeten Geschichten selber sind umgeschriebene Szenarien von Manuskripten zu realistischen Abenteuern, die Fischer schon für jugoslawische Zeitungen gemacht hatte. Im Anschluß der Mischa Geschichten und der Lupo-Phase schrieb Fischer Stories und erstellte Skribbles zu von Wiechmann erfundenen Figuren wie Andrax oder Capitan Terror in Primo.
Als 1974 Kauka seinen Verlag verkauft, ihn aber noch bis ‘76 redaktionell betreut, zerbricht nach und nach die große Familie um "Vater" Rolf Kauka. Mit dem Umzug aus dem Kauka-Schlößchen in den großen Komplex des Grundig Hochhauses in der Münchener Innenstadt mit seiner nüchternen Atmosphäre und dem Wissen, daß Rolf Comic-Material für ein halbes Jahr im voraus gehortet hatte und somit der Produktionszwang wegfiel, zogen viele Zeichner weg. Fischer ging nach Italien, Magdic nach Hannover und Neugebauer war ganz ausgestiegen. Daher kam Fischer nur noch einmal pro Monat nach München um Zeichnungen abzuliefern. Rolf Kauka, dem diese Entwicklung wohl selbst nicht gefiel, blieb dann auch bei gemeinsamen Abenden oder Ausflügen fern. Dazu Fischer: "Man spürte, daß etwas zu Ende ging!"
Rückblickend betrachtet sah Fischer die Zusammenarbeit mit Rolf als eine Zeit der Geborgenheit. Bei Schwierigkeiten konnte man mit Kauka reden, da er zu jedem seiner Mitarbeiter ein gewisses persönliches Verhältnis, im Guten wie im Schlechten, pflegte. Auch lobt Fischer das Engagement Kaukas, der nicht nur aus finanziellem Interesse, sondern auch aus purer Begeisterung Geschichten mit gestaltete und sogar Skizzen anfertigte. Und Fischer, der in seiner Anfangsphase einfach Stories vor sich hinschrieb, hat Kauka mit wichtigen Tips zur Dramaturgie aus so mancher Sackgasse herausgeholfen.
Gegen 1976 verließ auch Fischer die Kauka-Redaktion und arbeitete an verschiedenen Projekten. Meist waren es Kugelköpfchen-Geschichten, nach den Vorbildern japanischer Trickserien, mit recht primitiven und schnell produzierbaren Szenarien. Es entstand für Condor Wickie, für Bastei Pinocchio und der realistische Comic „Raumschiff Enterprise“, der in der Zeitschrift BILD + FUNK veröffentlicht wurde. So war Fischer maßgeblich an dem seit den 70er Jahren modernen Trend beteiligt, nach Fernsehvorlagen billige Comics mit banalen Geschichten und qualitätslosen Inhalten zu erstellen. Produziert wird eben das, was der Markt haben will!
INHALT VOM DREIZEHNTEN TEIL (555 bis 557 mit 20 Seiten) Grafik: LUDWIG FISCHER
Titel: PIRATEN IM ALL
Wir befinden uns im Jahr 2013. Mischa und Connie wollen in Italien Urlaub machen. Im letzten Moment werden sie von Mischas Freund, Max, aufgehalten. Die drei sollen sich auf die Suche nach der verschollenen Rakete Meteor machen, die vor 6 Monaten in das Cyratus-System aufgebrochen ist, um nach Gold zu schürfen. Unter den Forschern befindet sich auch Professor Turbino. Die Crew hat sich aber aufgrund der erfolgreichen Prospektion entzweit und es kam zur Meuterei. Mit der Sternvogel fliegen die drei Freunde in dieses System und werden prompt abgeschossen. Während Connie von den abtrünnigen Technikern der Meteor entführt wird, rettet Mischa die hübsche und loyale Ingenieurin Uschi aus höchster Gefahr. Max ist unterdessen am Pol des Planeten notgelandet und verbündet sich mit der dort lebenden Urbevölkerung gegen die Meuterer. Nachdem diese überwältigt sind, reisen Mischa, Connie, Max und Professor Turbino zur Erde zurück.
INHALT VOM VIERZEHNTEN TEIL (560 bis 563 mit 16 Seiten) Grafik: LUDWIG FISCHER
Titel: Marans Gefangene
Auf einem Routineflug mit der Meteor geraten Mischa, Connie, Max und Professor Turbino in die Gewalt von Außerirdischen und werden auf deren Planeten verschleppt. Ihr Anführer, „Maran-Der Mächtige“, plant eine Invasion auf der Erde, weil sein Planet zu klein geworden ist. Doch es gibt dort auch Verbündete, die den Tyrannen stürzen wollen. Als Maran Connie heiraten will, kommt es zu einem Putsch, in dessen Verlauf der Diktator unschädlich gemacht wird. Mit der Meteor treten die vier Freunde die Heimreise an.
INHALT VOM FÜNFZEHNTEN TEIL (565 bis 569 mit 22 Seiten) Grafik: LUDWIG FISCHER
Titel: VERBANNUNG IM ALL
Nach ihrem Abenteuer auf Marans Planeten werden Mischa, Connie, Max und Professor Turbino auf dem Heimflug von einer fremden Raumabwehr abgeschossen, können sich aber auf einem Nachbarplaneten retten und werden dort prompt versklavt. Connie soll dann zur Hauptfrau des „Dicken Häuptlings“ gemacht werden. Nachdem sie diesen geohrfeigt hat, sperrt man sie in einen Turm. Von dort aus entdeckt Connie ein verwaistes Raumschiff. Nach einem erfolgreichen Aufstand gegen den Despoten reisen die vier Raumhelden mit der neuen Rakete ab.
INHALT DES SECHZEHNTEN TEIL (577 bis 579 mit 16 Seiten) Grafik: LUDWIG FISCHER
Titel: DER GEHEIMNISVOLLE STEIN
Da der Start mit der neuen Rakete nicht klappt, weil Max aus Teilen der Steuerung einen Fernseher bauen wollte, bleiben die vier Freunde auf dem fremden Planeten und entdecken dort einen Stein, der Lebewesen verjüngen kann. Als Professor Turbino einen Supertreibstoff erfindet, infizieren sich Mischa und Max mit dem Stirb-rasch-Bazillus. Und auch hier findet Turbino rechtzeitig ein Gegenmittel. Diese Geschehnisse bleiben den feindlich gesinnten Bewohnern eines Nachbarplaneten nicht verborgen. Kurzerhand entführen die sogenannten Großplanetarier den Professor und wollen die Kleinplanetarier angreifen. Doch Mischa & Co wehren auch hier erfolgreich den Angriff ab. Sie bekämpfen die modernen Strahlenwaffen mit banaler Wasserkraft bis der Feind sich geschlagen gibt.
INHALT VOM SIEBZEHNTEN TEIL (605 bis 608 mit 28 Seiten) Grafik: ?
Titel: DIE GEHEIMNISVOLLE SONNENPFORTE
In seinem Labor auf der Erde entwickelt Professor Turbino ein Übersetzungsgerät für Inkaschriften. Mit Mischa und Connie reist der Professor nach Südamerika zu einem sagenhaften Sonnentor. Nachdem die drei Helden dieses Tor durchschritten haben, finden sie sich auf dem Planeten Febius wieder. Dort entdecken sie nicht nur die Ur-Inkas, sondern auch den vor 150 Jahren verschwundenen Professor Gerberius. Just zu diesem Zeitpunkt greifen die feindlichen Dagos an. Aber nach ihrer Niederlage, dank Mischas tatkräftigem Einsatz, bitten sie um Frieden. Schließlich werden die drei Abenteurer zurück auf die Erde gebracht. Connie verarbeitet dann dieses Erlebnis zu einem Science-Fiction Roman, der ein Bestseller wird. (Süße Träume des Künstlers)
Wenn man sich die Inhaltsangaben dieser Geschichten durchliest, wundert man sich nicht mehr über Mischas Tiefflug. Er verschwand Mitte 1967 aus dem Fix und Foxi-Heft und kam erst sechs Jahre später noch einmal kurzzeitig zurück. Zwischendurch hatte der belgische Zeichner Arthur Berckmans, nach einer weiteren Neukonzeption dieser Serie für das Kauka-Magazin Primo, diesen Science-Fiction Comic zu einem erneuten Höhepunkt verholfen. Doch mit der Einstellung von Primo fand auch Mischa sein endgültiges Ende.
Mehr dazu im nächsten Teil...